Ein von der Europäischen Zentralbank (EZB) durchgeführter Stresstest zeigt, dass höhere Zinssätze für die Mehrheit der von der EZB direkt beaufsichtigten Banken in den nächsten drei Jahren zu höheren Nettozinserträgen, aber auch zu einem geringeren wirtschaftlichen Wert des Eigenkapitals führen würden. Die EZB hat auf Grundlage der zum Jahresende 2016 vorliegenden Daten eine Sensitivitätsanalyse des in den Anlagebüchern enthaltenen Zinsänderungsrisikos durchgeführt. Die Analyse soll der EZB-Bankenaufsicht zusätzliche Informationen darüber liefern, wie zinssensitiv die Nettozinserträge und der wirtschaftliche Wert des Eigenkapitals der Positionen in den Anlagebüchern der Banken sind.
Die Analyseergebnisse flossen in die jährliche Beurteilung der Gesamtkapitalvorgaben der Banken ein. Die Kapitalvorgaben einzelner Banken können zwar an die ermittelten Risiken angepasst werden, doch bewirkt die Sensitivitätsanalyse des Zinsänderungsrisikos unter sonst gleichen Bedingungen keine Änderung der Gesamtkapitalvorgaben.
Um herauszufinden, wie sich die Projektion des wirtschaftlichen Werts des Eigenkapitals und der Nettozinserträge in einem sich wandelnden Zinsumfeld ändert, zog die EZB-Bankenaufsicht sechs hypothetische Zinsänderungsschocks heran. Diese sechs Schocks basieren auf den vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht entwickelten Zinsänderungsschocks und bilden Änderungen der Höhe und des Verlaufs der Zinsstrukturkurve ab. Die angenommenen Schocks sind hypothetisch und wurden nicht als Projektionen für die Entwicklung der Zinsen im Euroraum modelliert.
Den Ergebnissen zufolge würden sich die Nettozinserträge bei einem hypothetischen Zinsanstieg um 200 Basispunkten in aggregierter Betrachtung im Jahr 2017 um 4,1 Prozent und bis 2019 um 10,5 Prozent erhöhen, während der wirtschaftliche Wert des Eigenkapitals insgesamt um 2,7 Prozent zurückgehen würde. Wenn die Zinssätze hingegen auf dem Stand von Ende 2016 bleiben und es nicht zu einem Kreditwachstum kommt, würden die Nettozinserträge in aggregierter Betrachtung um 7,5 Prozent sinken. Diese Projektionen hängen stark von den Annahmen der Banken über das Verhalten ihrer Kunden ab. In einem Szenario mit steigenden Zinsen ist beispielsweise die Annahme der Rigidität von Einlagen im Retailgeschäft für einen Anstieg der Nettozinserträge von entscheidender Bedeutung.
Die EZB befragte die Banken auch zu den Verhaltensmodellen, die sie bei der Bestimmung und Steuerung ihres Zinsrisikos einsetzen, und wie sie bei der Beurteilung zugrunde liegender Risiken vorgehen. Da das Kundenverhalten ein zentraler Faktor für das Zinsänderungsrisiko von Banken ist – vor allem in Bezug auf Einlagen –, nutzen Banken Verhaltensmodelle, um ihr Zinsrisiko besser bestimmen und steuern zu können.
Hier zeigte der Stresstest, dass die meisten Einlagenmodelle ausschließlich auf der Annahme eines Zeitraums sinkender Zinssätze beruhen und daher womöglich mit einem großen Modellrisiko behaftet sind. Die Aufsicht hat neue und umfangreiche Erkenntnisse darüber gewinnen können, wie die von ihr beaufsichtigen Institute diese Risiken steuern.
Der Stresstest zeigte auch, wie Banken Zinsderivate zur Absicherung von Risikopositionen und zum Erreichen eines anges trebten Zinsprofils einsetzen und dass sie sich mit Blick auf künftige Zinsänderungen recht unterschiedlich positionieren.
Quelle: Europäische Zentralbank
Zinsrisikomanagement der meisten europäischen Banken gut
22 Oktober 2017