An die Blockchain-Technologie werden derzeit hohe Erwartungen geknüpft. Dabei haben sich zahlreiche Mythen gebildet, NTT Security (Germany) hat untersucht, was wirklich Sache ist.
Blockchain ist innerhalb kürzester Zeit zu einem der zentralen Themen der digitalen Welt geworden, obwohl – oder gerade weil – es an fundierten Kenntnissen der zugrunde liegenden Verfahren oft mangelt. Dass sich dabei etliche Mythen rund um Blockchain entwickelt haben, ist deshalb kein Wunder.
1. Blockchain und Bitcoin sind ganz verschiedene Dinge
Das ist nur bedingt richtig. Man kann zwar Bitcoin als Implementierung einer – allgemeineren – Blockchain-Technologie verstehen, doch sind beide sehr eng verbunden: Die Validierung von Blöcken in der Blockchain erfolgt, zumindest in offenen Blockchains, grundsätzlich durch das „Mining“, das nur mit Bitcoins funktioniert. Ohne Bitcoins gibt es für potenzielle Miner derzeit keinen Grund, den nicht unerheblichen Validierungsaufwand zu übernehmen. Ohne Validierung aber funktioniert das ganze Verfahren nicht. Nur in geschlossenen Systemen, beispielsweise zwischen Banken, kann auf alternative Methoden der Validierung zurückgegriffen werden. Übrigens gibt es aus diesem Grund auch so gut wie keine Darstellung der Blockchain-Technologie, die ohne das Bitcoin-Beispiel auskommt.
2. Die Blockchain ist verschlüsselt
Die Blockchain-Technologie nutzt kryptografische Verfahren zur Identifizierung der Nutzer und zur Validierung der Blöcke; der Inhalt der Blockchain aber liegt für jeden Nutzer sichtbar im Klartext vor.
3. Die Blockchain ist eine Datenbank
Im Grunde ist eine Blockchain keine Datenbank – im Sinne einer Engine –, sondern lediglich eine Liste, in der Transaktionen fälschungssicher dokumentiert sind. Eine eigene „Logik“ enthält diese Liste nicht; Algorithmen kommen erst da zum Einsatz, wo per Software auf die Blockchain zugriffen wird.
4. Blockchain wird „Intermediäre“ ersetzen
Die Blockchain-Technologie ist ein Verfahren einer sich selbst in einem Peer-to-Peer-Netz validierenden Dokumentation; „Intermediäre“ wie Notare, Gerichtsvollzieher oder Standesbeamte haben aber mehr Aufgaben, als nur Vorgänge zu dokumentieren. Im Übrigen müssen Blockchain-Nutzer in der Regel auf Blockchain-Experten zurückgreifen, insofern werden in der Blockchain-Welt neue Intermediäre geschaffen.
5. Blockchain wird die Banken abschaffen
Dem steht schon die Tatsache entgegen, dass Banken derzeit am aktivsten die Blockchain-Technologie erforschen. Tatsächlich gibt es gerade im Bankenumfeld zahlreiche Nutzungsmöglichkeiten für – geschlossene – Blockchain-Systeme, beispielsweise bei der Übertragung von Wertpapieren zwischen Banken. Dass die Banken ihre Rolle als Intermediäre verlieren, ist daher sehr unwahrscheinlich; realistischer erscheint, dass sie in einer Blockchain-Welt ihrerseits die Rolle als Blockchain-Intermediäre übernehmen.
6. Blockchain ist dabei, die Welt zu revolutionieren
Derzeit existiert nur eine, auf breiter Basis funktionierende Implementierung der Blockchain-Technologie: Bitcoin. Ansonsten gibt es nur Studien und Absichtserklärungen; die meisten Anwendungsbeispiele sind nicht einmal Pilotprojekte, sondern nur Gedankenspiele. Inwieweit die Blockchain-Technologie in der Lage ist, die Welt zu „revolutionieren“, ist noch nicht absehbar.
7. Blockchain ist eine Technologie für jedermann
Tatsächlich ist die Blockchain-Technologie recht komplex und alles andere als trivial: Ohne tiefergehendes Know-how kann man diese Technologie derzeit noch nicht nutzen; anwenderfreundliche Schnittstellen gibt es noch nicht. Blockchain-Experten sind wiederum noch sehr rar.
8. Blockchain ist sicher
Die verwendeten kryptografischen Verfahren stellen ein hohes Maß an Sicherheit bereit; allerdings hat sich auch gezeigt, dass beispielsweise die Software, die auf eine Blockchain zugreift, aufgrund von Programmierfehlern oder durch Hacks angreifbar ist. Dieses Schicksal teilt die Blockchain-Technologie natürlich mit der übrigen IT, und es ist nicht zu erkennen, weshalb gerade sie hier eine Ausnahme darstellen sollte. Es ist sogar zu erwarten, dass mit wachsender Popularität auch die Blockchain-Technologie verstärkt ins Visier von Cyber-Kriminellen geraten wird.
9. Blockchain ist generell vertrauenswürdig
Sobald die Blockchain-Technologie sich außerhalb von abgeschlossenen Testsystemen auch im harten Geschäftsleben bewähren muss, sind Fragen hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen zu beantworten. Wer haftet für Schäden aus fehlerhaften Protokollen und Programmcodes? Können „smarte“ Verträge (Smart Contracts) tatsächlich verbindlich umgesetzt werden? Wie sieht es mit grenzüberschreitenden Sachverhalten aus, die sich zwangsläufig durch den Aspekt der Dezentralisierung ergeben? Letztendlich endscheidet das „Wie“ der Implementierung über die Vertrauenswürdigkeit einer auf Blockchain basierenden Lösung. Blockchain bietet zwar die Basis, schnellere und sicherere Prozesse zu schaffen, liefert aber nicht automatisch eine Garantie für ein Rundum-sorglos-Paket.
10. Blockchain ist bloß ein kurzlebiger Hype
Trotz aller Mythen, die Blockchain-Technologie ist ein interessanter Ansatz – sofern die Technologie dafür eingesetzt wird, wofür sie gedacht und konzipiert ist: eine sich in einem Peer-to-Peer-Netz selbst validierende Dokumentation.
„Blockchain ist ohne Zweifel ein Trend-Thema, und wer derzeit ein Projekt in Verbindung mit Blockchain bringen kann, hat sicher gute Karten bei der Verteilung der Budgets“, erklärt René Bader, Manager Critical Business Applications & Big Data bei NTT Security. „Die derzeit zu beobachtende Überfrachtung des Themas und die überzogenen Erwartungen an die neue Technologie sind allerdings wenig hilfreich. Häufig liegt dabei auch ein unzureichendes Verständnis von den zugrunde liegenden Verfahren vor, beispielsweise wenn in einer konkreten Anwendung einfach die Notwendigkeit des Minings vergessen wird. Die Blockchain-Technologie stellt uns eine Art ‚Trust Engine‘ zur Verfügung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Denn in vielen Anwendungsszenarien ist es ja gerade das, was man braucht.“