Die BaFin berichtet auf ihrer Webseite über die Reform der EU Finanzaufsicht: Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben sich am 21. März 2019 überraschend auf eine Reform des europäischen Systems der Finanzaufsicht (European System of Financial Supervisors – ESFS) geeinigt. Die seit 2017 diskutierten Vorschläge des ESA-Reviews (siehe Infokasten) könnten damit schon 2020 Realität werden. Danach sah es lange nicht aus: Zunächst lagen die Vorstellungen von Parlament und Rat weit auseinander. Die von beiden Seiten im Januar und Februar dieses Jahres vorgelegten Änderungsvorschläge zu dem Gesetzespaket der EU-Kommission wichen in wesentlichen Punkten deutlich voneinander ab.
Dies betraf insbesondere die Organisationsstruktur und die Frage der Erweiterung der Befugnisse der drei Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs), also der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung EIOPA, der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA.
Auf einen Blick:Reform des europäischen Systems der Finanzaufsicht seit 2017
In ihren Gründungsverordnungen ist die regelmäßige Überprüfung der Funktionsweise der Europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) vorgesehen. Die Europäische Kommission hat im Frühjahr 2017 ein Konsultationsverfahren durchgeführt und im September 2017 einen umfassenden Gesetzgebungsvorschlag zur Stärkung des Europäischen Systems der Finanzaufsicht (European System of Financial Supervisors – ESFS) veröffentlicht. Der Vorschlag sieht weitgehende Änderungen der Organisationsstruktur, der Finanzierung und eine Erweiterung der Befugnisse der ESAs vor. Im September 2018 hat die Kommission ihren Vorschlag um Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ergänzt. Die BaFin stand diesem Vorstoß von Beginn an kritisch gegenüber. Der Gesetzgebungsvorschlag der Kommission wurde bis Anfang 2019 jeweils im Rat der EU sowie im Europäischen Parlament verhandelt.
Wichtige Ergebnisse des Kompromisses im Überblick
Gegenstand der Einigung waren nicht nur die Änderungen der Gründungsverordnungen von EIOPA, EBA und ESMA, sondern auch weitere Rahmenrechtsakte wie die europäische Finanzmarktverordnung (Markets in Financial Instruments Regulation – MiFIR), die zweite europäische Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive II – MiFID II), die europäische Benchmark-Verordnung und Solvency II. Am 15. April 2019 fand im Plenum des Europäischen Parlaments eine erste Aussprache statt. In der darauf folgenden Abstimmung am 16. April 2019 hat das Europäische Parlament seinen Standpunkt in Erster Lesung verabschiedet. Die ursprünglichen Vorschläge der Europäischen Kommission konnten sich in weiten Teilen nicht durchsetzen.
Beibehaltung der Finanzierung
Das bisherige Finanzierungssystem der ESAs wird beibehalten. Es bleibt also bei der Aufteilung der Finanzierung zwischen der EU (40 Prozent) und den nationalen Aufsichtsbehörden (60 Prozent). Die von der Kommission geforderte direkte Industriebeteiligung wurde verworfen. Die Organisationsstruktur der Entscheidungsgremien, wozu der Rat der Aufseher und der Verwaltungsrat zählen, bleibt im Grundsatz erhalten. Weder der Vorschlag zur Einführung eines mit unabhängigen Vertretern der ESAs besetzten Exekutivgremiums noch die Stärkung des bestehenden Verwaltungsrats durch von außen hinzugenommene Vertreter der ESAs haben sich durchgesetzt. ESA-Vorsitzende werden gestärkt, unter anderem indem sie ein Stimmrecht im Rat der Aufseher erhalten, wo alle nationalen Chefaufseher vertreten sind. Das gilt jedoch nicht für Abstimmungen über Technische Standards und Leitlinien. Der mit sechs nationalen Mitgliedern besetzte Verwaltungsrat kann Entscheidungen des Rats der Aufseher vorbereiten und diesem Vorschläge unterbreiten. Unterhalb der Leitungsgremien wurden die Komitees der ESAs, zuständig etwa für Unionsrechtsverletzungen und Mediationsverfahren, gestärkt.
Förderung der Aufsichtskonvergenz
Anders als ursprünglich vorgesehen, wird es keine verbindlichen strategischen Aufsichtspläne geben. Stattdessen soll die Aufsichtskonvergenz dadurch gefördert werden, dass die ESAs und die nationalen Aufsichtsbehörden alle drei Jahre zwei EU-weite Prioritäten definieren, die sodann in die nationalen Arbeitsprogramme aufzunehmen sind. Die Fragen und Antworten (Questions and Answers – Q&As), die als Konvergenzinstrumente neben den Leitlinien intensiv von den ESAs genutzt werden, sind nunmehr ausdrücklich in deren Gründungsverordnungen verankert.
Überprüfungen durch nationale Aufsichtsbehörden folgen weiterhin dem Kollegialprinzip der Peer-Reviews, wobei das Personal der ESAs hierbei ebenfalls eine wichtige Rolle spielen soll, etwa durch die Leitung der Prüfteams. Direkte Informationsbefugnisse gegenüber Marktteilnehmern, die von den nationalen Behörden beaufsichtigt werden, stehen den ESAs wie bisher nur in begrenzten Ausnahmefällen zu. Um sich bei ausgewählten und definierten Themen grenzüberschreitend auszutauschen, können künftig Koordinationsgruppen eingesetzt werden, an denen sich alle Aufsichtsbehörden beteiligen. Die Kompetenzen der ESAs wurden auch im Zusammenhang mit der Bewertung der Drittstaatenäquivalenz, einschließlich der fortlaufenden Überwachung der Gleichwertigkeit von Finanzsektoren, aufgewertet. Im Verbraucherschutz und im Hinblick auf Nachhaltigkeitsfaktoren erhielten die ESAs erweiterte Zuständigkeiten.
Veränderungen bei ESMA, EIOPA und EBA
Die Befugnisse speziell der ESMA sollen punktuell erweitert werden. Sie beaufsichtigt künftig bestimmte Datenbereitstellungsdienste, Administratoren kritischer Referenzwerte sowie Referenzwerte aus Drittstaaten direkt. EIOPA kann nationalen Behörden auf deren Anfrage hin technische Unterstützung in Genehmigungsprozessen interner Modelle gewähren. Bei EBA werden künftig Befugnisse zur Geldwäschebekämpfung zentralisiert, wofür ein Komitee eingerichtet werden soll. ESMA und EIOPA sollen Maßnahmen der EBA, die ihren Bereich betreffen, zustimmen.
Nächste Schritte und Abschluss des Verfahrens
Nach der Verabschiedung des Standpunkts in Erster Lesung im Europäischen Parlament stehen vor dem erwarteten Abschluss des Verfahrens im Herbst nun zunächst noch weitere formale Arbeiten an. Dazu gehört etwa die Übersetzung in die Amtssprachen der EU. Die Änderungen könnten 2020 in Kraft treten.