Die europäische Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 entkoppelt das Banking von den Banken. Die Welt der etablierten Institute als Finanzintermediäre droht damit ins Wanken zu geraten. Doch eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Cofinpro zeigt: Viele Banken haben es nicht eilig, ihr Geschäftsmodell zukunftsfest zu machen. Sie warten erst einmal ab, was PSD2 bringt.
Die Bankenwelt steht vor grundlegenden Veränderungen: Anfang 2018 verlieren die Institute ihr Monopol auf die Kontodaten. Überlässt der Kunde seine Daten Drittanbietern, ist seine Bank dazu verpflichtet, ihre Schnittstellen offenzulegen. Die Institute könnten damit ihre Rolle als engste Partner des Kunden in Geldgeschäften verlieren. 87 Prozent der von Cofinpro und dem IT Finanzmagazin befragten Bank-Experten rechnen mit erheblichen Folgen für das Geschäft der Institute. Und sie sind sich sicher: PSD2 betrifft nur vordergründig den Zahlungsverkehr. Es bedroht mittel- bis langfristig jedoch ebenso das Geschäft der Banken im Wertpapier- und Kreditbereich.
„Unsere Studie zeigt: Die Banken haben sich noch nicht ausreichend mit PSD2 beschäftigt“, sagt Christine Naber, Vorstand bei Cofinpro. „Das birgt Risiken und öffnet Konkurrenten die Tore. Denn auch auf Seiten der Kunden nimmt die Treue zur Hausbank ab.“ Das belegt das ergänzend erhobene FinWeb Barometer 2017 der auf Finanzdienstleister spezialisierten Unternehmensberatung. Die bevölkerungsrepräsentative Studie zum Thema digitales Banking ergibt: Mindestens jeder zweite Deutsche kann sich vorstellen, Produkte und Leistungen anderer Anbieter zu nutzen. Bei Akademikern liegt der Anteil deutlich höher als bei Befragten ohne Hochschulabschluss.
Auch Bank-Experten sind davon überzeugt, dass die Hausbank an Bedeutung verlieren wird. 68 Prozent rechnen künftig mit mehr Kontoeröffnungen pro Kunde. Die Konkurrenten von morgen lauern nach Einschätzung der Teilnehmer abseits der Bankenwelt: Es sind vor allem Internetunternehmen (85 Prozent), aber auch bankfremde Zahlungsdienstleister, Händler und FinTechs.
Noch haben die Banken ihre Kunden allerdings nicht verloren. Denn wie das zum dritten Mal in Folge erhobene FinWeb Barometer auch belegt, vollzieht sich zumindest der Weg der Bundesbürger in die digitale Bankenwelt in kleinen Schritten – gleicht also einer Evolution statt einer Revolution. So hat der Gesamtindex in 2017 nur relativ leicht auf 45,9 Punkte von 44,6 Punkten im Jahr 2016 zugelegt.
Allerdings bringt die EU-Richtlinie nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen für die Kreditinstitute mit sich. So glauben 72 Prozent der Befragten, dass PSD2 den Banken neue Geschäftspotenziale erschließt. „Die Institute sollten aktiv daran arbeiten, ihr Geschäftsmodell anzupassen und ihre Rolle als zentrale Finanzintermediäre zu sichern. Es gibt dabei jedoch keinen sprichwörtlichen Königsweg, jede Bank muss ihre eigene Positionierung finden“, rät Cofinpro-Vorstand Naber. Dazu zählen auch die Fragen, ob die Institute Produktschmiede bleiben, sie als Dienstleister beziehungsweise Plattform für andere arbeiten werden oder welche Partnerschaften sie eingehen wollen.
PSD2: Mehr als jede zweite Bank hat Bedrohungen und Chancen noch nicht erkannt
11 August 2017