Das Regulationspaket MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive II) der Europäischen Union (EU), welches im Januar 2018 in Kraft treten soll, bringt eine Welle von Veränderungen für die europäische Vermögensverwaltungsindustrie mit sich. Die geplanten Maßnahmen betreffen sämtliche Marktteilnehmer, die im Handel und/oder in der Distribution von Finanzinstrumenten innerhalb der EU aktiv sind. Auch der Bereich der Research-Dienstleistungen ist markant betroffen.
Die Maßnahmen von MiFID II zielen darauf ab, die Transparenz und den Anlegerschutz zu erhöhen, Interessenkonflikte zu eliminieren, europaweite Regulatorien zu harmonisieren sowie den Wettbewerb zu fördern. Ein Teilaspekt des Regulationspakets sieht in der Kategorie Anlegerschutz vor, dass es für Banken und Brokerhäuser nicht mehr zulässig ist, Erzeugnisse der Research-Abteilung (darunter beispielsweise Analysen und Sektorenberichte) zu Verkaufsförderungszwecken einzusetzen.
Bis dato waren die Kosten für diese Dienstleistungen als Bestandteil der umsatz- und volumenabhängigen Handelskommissionen abgegolten. Die Investoren hatten somit keine Transparenz über die effektiven Kosten für die Auftragsausführung (Exekution) und den Anteil von Zusatzleistungen wie Research oder Roadshows).
„Durch die zu erwartende Transparenz betreffend der Kosten für Analysedienstleistungen seitens Broker und Banken, zeichnet sich eine grundlegende Neuordnung der Analyselandschaft in Europa ab“, sagt René Hermann, Partner bei Independent Credit View (I-CV) in Zürich. „Finanzanalysen zu Aktien, Anleihen und anderen Anlageprodukten werden zukünftig kostenpflichtig. Asset Manager müssen sich als Konsequenz überlegen, wie sie zukünftig ihre Research-Bedürfnisse abdecken und in welchem Umfang sie Geldmittel (so genannte Hard Dollars) aufwenden wollen beziehungsweise können.“
Banken und Broker ihrerseits würden sich mit der Herausforderung konfrontiert sehen, ihre Kosten für die internen Research-Kapazitäten zu separieren, die Einheiten als Profit-Center (bisher Cost-Center) zu konzipieren und den Kunden den Mehrwert der Dienstleistungen, welche früher durch die Handelskommission abgegolten (so genannte Soft Dollar) wurden, zu vermitteln. Hermann: „Insbesondere die zwei zuletzt aufgeführten Punkte bedingen ein fundamentales Umdenken und konkrete Schritte zur Operationalisierung – zum Beispiel durch die Evaluation von Angeboten.“
Marktbelebung im Research-Bereich zu erwarten
„Die Anzahl der Analysten bei Banken und Broker dürfte in der Tendenz abnehmen“, ist Hermann überzeugt. „Einige Institutionen werden sich erwartungsgemäß sogar ganz aus dem Research zurückziehen. Es ist entsprechend mit einer Marktbelebung zu rechnen, da eine größere Zahl von Anbietern um die Research-Budgets der Asset Manager buhlen dürften. Das Vakuum führt aber auch zu mehr Emittenten-gesponserten Anbietern. Hier ist aufgrund von Interessenkonflikten allerdings Vorsicht geboten. Generell werden Asset Manager mit der zunehmenden Spezialisierung ihre Research-Bedürfnisse von einem breiteren und differenzierteren Spektrum an Quellen abdecken können.“