Die Umsetzung der MiFID-II-Richtlinie bei Banken in Deutschland pausiert. Der Grund: Der Starttermin wurde auf Januar 2018 verschoben. Die Banken und Sparkassen konzentrieren sich derzeit auf die Einschätzung der Folgeaufwände der neuen Regelungen. Mehr als neun von zehn Instituten erwarten hohe laufende Kosten und eine Veränderung des Vertriebskonzepts. Das zeigt die vierte Auflage der Bankenstudie „MiFID II Readiness“ der Unternehmensberatung PPI.
Die MiFID II-Experten bei PPI raten dazu, den zusätzlichen zeitlichen Spielraum bis zur Umsetzung der Richtlinie in rund 18 Monaten zu nutzen. Daher rückt bei den Banken und Sparkassen der Fokus auch zunehmend weg von der Vorbereitung hin zur Zeit danach. Die Umsetzung und Einhaltung der Richtlinie mit ihren Folgekosten macht ihnen Kopfzerbrechen. Alle befragten Institute rechnen mit hohem Aufwand zur Anpassung der IT-Systeme als größte Konsequenz von MiFID II. 96 Prozent glauben an höhere laufende Kosten ab 2018. Die Schätzung haben sie im Vergleich zur Befragung im August 2015 nach oben korrigiert.
75 Prozent der Institute gehen davon aus, dass sich die Einhaltung der neuen Regeln für Beratungs- und Telefonprotokolle deutlich verteuern wird. Diese Einschätzung teilten 2014 und 2015 nur 56 Prozent. Mehr als jedes zweite Institut fürchtet die Folgekosten bei der laufenden Überprüfung der Eignung von empfohlenen Finanzprodukten. Sorge bereiten den Unternehmen zudem die höhere Frequenz, in der finanzmarkt- und anlegerspezifischen Performance Reports in Zukunft erstellt werden müssen.
Aufwand der Richtlinie größer als Nutzen
„Für viele Banken steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Nutzen. Denn die Entscheider in den Geldhäusern zweifeln an dem Erfolg der Richtlinie und fürchten Einschränkungen ihrer Geschäftsmodelle sowie den Wegfall von Einnahmequellen“, sagt Christian Appel, Partner bei PPI. Zwei Drittel der Befragten rechnen nicht damit, dass das verlorengegangene Vertrauen der Kunden durch die Einführung von MiFID II zurückgewonnen werden kann. 86 Prozent können in der neuen Richtlinie nur negative Auswirkungen und keinerlei Chancen in Form neuer Geschäftsfelder sehen. Und 43 Prozent sehen sogar konkret Einnahmequellen wegfallen.
93 Prozent der Befragten rechnen damit, dass MiFID II ab 2018 die Vertriebskonzepte durcheinanderwirbeln wird. Produkte zu Festpreisen werden weniger, auch komplexe Produkte, wie Optionsscheine und Zertifikate sollen seltener angeboten werden. Denn für 94 Prozent der Institute haben die neuen Transparenzrichtlinien für komplexe Produkte eine kostenintensive Umstellung von Systemen und Prozessen zur Folge. Die höchsten Erlösausfälle erwarten die Institute durch die Einschränkung der Vertriebsprovision. Den bedeutendsten Aufwand für die Umsetzung transaktionsbezogener Anforderungen erwarten die Banken durch die Pflicht zur Aufzeichnung der Kommunikation bei Ordererteilung und der Einhaltung der neuen Transparenzanforderungen.
Umsetzung aufgeschoben
Angesichts dieser Aussichten haben es die Banken und Sparkassen mit der Umsetzung nicht übermäßig eilig. Nachdem der Termin für die Anwendung der Richtlinie um ein Jahr verschoben wurde, pausiert jedes vierte Institut mit dem gesamten Umsetzungsprozess, 63 Prozent nehmen sich mehr Zeit für die Umsetzung. Seit der Erhebung vor neun Monaten haben die Banken ihre MiFID II-Readiness um lediglich fünf Prozentpunkte auf 27 Prozent verbessern können. Trotz Terminverschiebung liegen sie damit noch weit unter dem avisierten Soll-Wert von 55 Prozent. „Ohne Aufschub hätten sie jetzt bereits bei 80 Prozent stehen müssen. Das sollte den Verantwortlichen zu denken geben“, sagt Studienleiter Appel.