Kommission akzeptiert Verpflichtungszusagen von Apple zur Öffnung der „tap and go“-Funktion auf iPhones für andere Anbieter

15 Juli 2024
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Die Europäische Kommission hat Verpflichtungsangebote von Apple nach den EU‑Kartellvorschriften für rechtlich bindend erklärt. Mit den Verpflichtungszusagen werden die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission hinsichtlich der Weigerung von Apple ausgeräumt, Wettbewerbern Zugang zu einer Standardtechnologie (Nahfeldkommunikation („NFC“) bzw. „tap and go“) für kontaktlose Zahlungen mittels iPhones in Geschäften zu gewähren.

Apple Pay ist die mobile Geldbörse von Apple, mit der Nutzer von iPhones per Handy im Internet oder in Geschäften zahlen können. iPhones von Apple laufen stets auf dem firmeneigenen Betriebssystem iOS. Apple kontrolliert alle Teile dieses Ökosystems, einschließlich des Zugangs der Entwickler mobiler Zahlungsanwendungen. Die Kommission gelangte zu der vorläufigen Auffassung, dass Apple auf dem Markt für intelligente Mobilgeräte über erhebliche Marktmacht verfügt und auf den Märkten für mobile Zahlungen mittels iOS-Geräten eine beherrschende Stellung innehat. Apple Pay ist die einzige mobile Geldbörse, die auf die NFC-Hardware und -Software (im Folgenden „NFC-Technik“) auf iOS zugreifen kann, um Zahlungen in Geschäften zu tätigen, da Apple sie nicht für Entwickler mobiler Geldbörsen Dritter zur Verfügung stellt.

In ihrer Untersuchung kam die Kommission zu dem vorläufigen Schluss, dass Apple seine marktbeherrschende Stellung missbrauchte, indem es sich weigerte, konkurrierenden Entwicklern mobiler Geldbörsen Zugang zur NFC-Technik für iOS zu verschaffen und diesen Zugang nur Apple Pay vorbehielt. Nach vorläufiger Auffassung der Kommission hat die Weigerung von Apple die Konkurrenten von Apple Pay vom Markt ausgeschlossen. Die Nutzer von iPhone-Geldbörsen hatten den Schaden in Form von weniger Innovation und Auswahl. Ein solches Verhalten kann gegen Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen. Dieser Artikel verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung.

Die Verpflichtungszusagen

Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, hatte Apple ursprünglich die folgenden Verpflichtungen angeboten:

*Drittanbietern soll kostenlos Zugang zur NFC-Technik auf iOS-Geräten gewährt werden, ohne dass sie auf Apple Pay oder Apple Wallet angewiesen wären. Der Zugang zur NFC-Technik soll über das Verfahren der „Host Card Emulation“ (HCE) erfolgen. Dabei handelt es sich um eine Technologie für die sichere Speicherung von Zahlungsdaten und den Abschluss von Transaktionen über NFC, die ohne geräteinterne Sicherheitselemente auskommt.
*Die Verfahren und Kriterien für den NFC-Zugang für Entwickler mobiler elektronischer Geldbörsen Dritter sollen fair, objektiv, transparent und diskriminierungsfrei sein.
*Nutzer sollen in die Lage versetzt werden, eine HCE-Zahlungs-App als ihre Standard-App für Zahlungen in Geschäften festzulegen und relevante Funktionen zu nutzen, wie z. B. „Field Detect“ (das die Standard-Zahlungs-App des Nutzers öffnet, wenn ein gesperrtes iPhone einem NFC-Lesegerät angezeigt wird), Doppelklick (mit dem die Standard-Zahlungs-App beim doppelten Anklicken der Seite des Telefons oder der Home-Knopftaste gestartet wird), und Authentifizierungstools wie Fingerabdruck, Gesichtserkennung und Gerätekennwort.
*Es werden ein Kontrollmechanismus und ein gesondertes Streitbeilegungsverfahren eingerichtet, um eine unabhängige Überprüfung der Zugangsbeschränkungen durch Apple zu ermöglichen.

Die oben genannten Verpflichtungen sind auf alle im Europäischen Wirtschaftsraum (im Folgenden „EWR“) niedergelassenen Drittentwickler von Mobilfunk-Anwendungen und auf alle iOS-Nutzer mit einer im EWR registrierten Apple-ID anzuwenden, auch wenn sie sich vorübergehend außerhalb des EWR aufhalten.

Die Kommission hat die Verpflichtungsangebote von Apple im Zeitraum vom 19. Januar 2024 bis zum 19. Februar 2024 einem Markttest unterzogen und alle interessierten Dritten konsultiert, um festzustellen, ob die wettbewerbsrechtlichen Bedenken durch diese Zusagen ausgeräumt würden. Angesichts der Ergebnisse dieses Markttests änderte Apple die ursprünglichen Verpflichtungsangebote und sagte Folgendes zu:

*Ausweitung der Möglichkeit, Zahlungen mit HCE-Zahlungs-Apps an anderen branchenzertifizierten Endgeräten wie Händlertelefonen oder als Terminal genutzten Geräten (softPOS) auszulösen, sofern diese Funktion zur Verfügung steht.
*Ausdrückliche Zusicherung, dass HCE-Entwickler nicht daran gehindert sind, die HCE-Zahlungsfunktion mit anderen NFC-Funktionen oder Anwendungsfällen zu kombinieren.
*Verzicht auf das Erfordernis, dass Entwickler über eine Lizenz als Zahlungsdienstleister oder eine verbindliche Vereinbarung mit einem Zahlungsdienstleister verfügen müssen, um auf die NFC-Technik zugreifen zu dürfen.
*Ermöglichung des NFC-Zugangs von Entwicklern zu voreingestellten Zahlungs-Apps für Drittanbieter mobiler Geldbörsen.
*Aktualisierung der HCE-Architektur entsprechend den von Apple Pay verwendeten sich entwickelnden Industrienormen und – unter bestimmten Voraussetzungen – weitere Aktualisierung von Normen, auch wenn sie von Apple Pay nicht mehr verwendet werden.
*Befähigung der Entwickler, Nutzern die Einrichtung ihrer Standard-Zahlungs-App zu vereinfachen und sie zur Standard-NFC-Einstellungsseite weiterzuleiten, sodass sie nur mit wenigen Klicks standardisiert werden können.
*Einhaltung derselben branchenspezifischen Normen und Spezifikationen, die auch die Entwickler von HCE-Zahlungs-Apps verwenden, und Schutz vertraulicher Informationen, die im Rahmen einer Prüfung erlangt werden.
*Verkürzung der Streitbeilegungsfristen. Darüber hinaus bot Apple dem Überwachungstreuhänder zusätzliche Unabhängigkeits- und Verfahrensgarantien an.

Mit diesen endgültigen Verpflichtungszusagen von Apple werden die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission hinsichtlich der Beschränkung des Zugangs von Entwicklern mobiler Geldbörsen Dritter zu NFC-Zahlungen in Geschäften für iOS-Nutzer im EWR durch Apple ausgeräumt. Daher hat sie beschlossen, die Verpflichtungen für Apple rechtsverbindlich zu machen.

Die Verpflichtungen bleiben zehn Jahre lang in Kraft und gelten für den gesamten EWR. Ihre Umsetzung wird von einem von Apple benannten Überwachungstreuhänder überwacht, der der Kommission über den gesamten Zeitraum hinweg Bericht erstattet.

Die Verpflichtungen von Apple lassen die derzeitigen oder künftigen Verpflichtungen des Unternehmens im Rahmen anderer Verordnungen unberührt, insbesondere in Bezug auf andere Anwendungsfälle und Funktionen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes über digitale Märkte (Verordnung 2022/1925) und der Einführung des digitalen Euro fallen.

Hintergrund

Artikel 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verhindern oder beschränken kann. Wie diese Bestimmung umzusetzen ist, ist in der Verordnung Nr. 1/2003 festgelegt, die auch von den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten angewandt werden kann.

Nach der Einleitung einer förmlichen Kartelluntersuchung zum Verhalten von Apple im Juni 2020 übermittelte die Kommission Apple im Mai 2022 eine Mitteilung der Beschwerdepunkte. Im Januar 2024 unterzog die Kommission die ersten Verpflichtungszusagen von Apple einem Markttest. Parallel zum Verpflichtungsbeschluss nach Artikel 9 nahm die Kommission ebenfalls heute einen zweiten Beschluss an, mit dem sie ihre Untersuchung zu Online-Beschränkungen und mutmaßlichen Verweigerungen des Zugangs bestimmter Produkte konkurrierender Anbieter zu Apple Pay einstellte, die die Kommission ebenfalls im Juni 2020 eingeleitet hatte. Mit diesem zweiten Beschluss werden die Verfahren auch eingestellt, insoweit sie das Vereinigte Königreich betrafen, das nicht mehr Teil des EWR ist.

Nach Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung 1/2003 können Unternehmen, die von einer Untersuchung der Kommission betroffen sind, Verpflichtungen anbieten, um die Bedenken der Kommission auszuräumen. Die Kommission kann diese Verpflichtungsangebote dann für bindend für die Unternehmen erklären. Artikel 27 Absatz 4 der Kartellverordnung sieht vor, dass die Kommission vor dem Erlass eines solchen Beschlusses Interessenträgern Gelegenheit geben muss, zu den Verpflichtungsangeboten Stellung zu nehmen.

Ergibt der Markttest in dieser Sache, dass die Verpflichtungsangebote die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission hinreichend ausräumen, kann die Kommission einen Beschluss erlassen, mit dem die angebotenen Verpflichtungen dem betreffenden Unternehmen gegenüber für bindend erklärt werden. Gegenstand eines solchen Beschlusses wäre nicht die Feststellung eines Verstoßes gegen die EU-Kartellvorschriften; er dient lediglich dazu, die Unternehmen zur Einhaltung ihrer Zusagen zu verpflichten.

Sollte das betreffende Unternehmen gegen die Verpflichtungen verstoßen, könnte die Kommissioen feststellen zu müssen.

n eine Geldbuße in Höhe von bis zu 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes des Unternehmens oder ein Zwangsgeld von 5 % seines Tagesumsatzes für jeden Tag der Nichteinhaltung verhängen, ohne einen Verstoß gegen die EU-Kartellvorschrift



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