Iran: „Open For Business“ – aber mit Vorsicht

20 April 2016

Angela Salter und Naidira Alemova-Goeres

Nach Saudi-Arabien stellt Iran die zweitgrößte Volkswirtschaft im Nahen Osten und Nordafrika. Mehr als die Hälfte der fast 80 Millionen Einwohner ist jünger als 35 Jahre und gut ausgebildet. Es ist folglich nicht verwunderlich, dass mit der (partiellen) Aufhebung der Sanktionen gegen Iran am 16. Januar 2016 bei vielen Unternehmen Aufbruchsstimmung herrscht. Vorsicht ist allerdings weiterhin für Unternehmen mit direktem Bezug zu den USA geboten.

Die meisten der EU-Sanktionen sowie die U.S.-Sekundär-Sanktionen – einschlägig für ‚non-U.S. persons’ – wurden infolge der Umsetzung des Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) aufgehoben. Der Begriff der U.S. person umfasst alle U.S. Bürger, Personen mit ständigem Wohnsitz oder Aufenthalt in den USA, sowie Unternehmen und deren Niederlassungen, die U.S.-amerikanischem Recht unterliegen. Obwohl sich zweifellos zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten abzeichnen, verbleiben wesentliche Beschränkungen. So gestaltet sich der Abschluss von Handelsgeschäften mit iranischen Unternehmen und Organisationen für internationale Unternehmen nach wie vor schwierig, insbesondere da die U.S.-Primär-Sanktionen für U.S. persons weiterhin Bestand haben.

Auch die U.S.-Sekundär-Sanktionen finden für non-U.S. persons noch insofern Berücksichtigung , wenn diese wissentlich Transaktionen mit iranischen oder diesen nahestehenden Personen ermöglichen, welche auf der vom U.S.-Treasury Office of Foreign Assets Control (OFAC) veröffentlichten Sanktionsliste geführt werden. Alle wirtschaftlichen Aktivitäten mit iranischen Unternehmen oder Organisationen – einschließlich Direkt- und Korrespondenzbankbeziehungen – erfordern eine weitreichende Due Diligence. Dies umfasst auch die Überprüfung der wirtschaftlichen Eigentümer beteiligter Unternehmen.

Warum wurden gegen Iran Sanktionen verhängt?

Seit 1979 wurde mit fast 200 verschiedenen Verboten die iranische Wirtschaftstätigkeit erheblich eingeschränkt. Diese Beschränkungen wurden von der U.S.-amerikanischen Regierung (OFAC Sanktionen), den Vereinten Nationen und der Europäischen Union verhängt und durchgesetzt. Weitere Länder setzten dann die Sanktionen der Vereinten Nationen um – hierunter Länder wie Kanada und Japan. Die verhängten Sanktionen erfolgten als Reaktion jahrzehntelanger  Aktivitäten der iranischen Regierung im Zusammenhang mit terroristischen Handlungen, Menschenrechtsverletzungen und der globalen Bedrohung durch das iranische Kernforschungsprogramm.

Wirtschaftlich betrachtet waren die seit 2010 verhängten Sanktionen umfassend: Sie beinhalteten unter anderem Verbote in Bezug auf den Verkauf, die Lieferung oder die Weiterleitung von iranischem Öl, den Handel mit verwandten Produkten oder Dienstleistungen sowie Einschränkungen damit verbundener Zahlungen. So untersagte der U.S. Comprehensive Iran Sanctions, Accountability and Divestment Act (CISADA) aus dem Jahr 2010 – in Verbindung mit dem U.S. National Defense Authorization Act (NDAA) – nicht U.S.-amerikanischen Finanzinstituten Transaktionen mit iranischen Finanzinstituten, wie der iranischen Zentralbank oder anderen durch OFAC gelisteten Banken, durchzuführen. Für ein Land, dessen wesentliche Produkte Erdöl und Erdgas sind und Ölexporte 80 % des Exportvolumens ausmachen, muss von gravierenden wirtschaftlichen Folgen gesprochen werden.

Im Sommer 2015 erlebte die Welt den Abschluss richtungsweisender Verhandlungen zwischen der iranischen Regierung und den wichtigsten Industrienationen. Vereinbart wurde eine Lockerung der Sanktionen, wenn Iran im Gegenzug sein Atomprogramm einschränkt. Am 18. Oktober 2015, dem sog. ‚Adoption Day‘, begannen die formellen Vorbereitungen zur Umsetzung der  Verpflichtungen aus dem JCPOA durch Iran, USA, Großbritannien, China, Frankreich, Deutschland und Russland. Zur gleichen Zeit schaffte die Europäische Union den erforderlichen Rechtsrahmen zur Aufhebung der im iranischen Atomprogramm begründeten Wirtschafts- und Finanzsanktionen. Die US-Regierung erklärte sich bereit auf bestimmte Sanktionen zu verzichten, sofern festgelegte Bedingungen zu einem definierten Zeitpunkt, dem ‚Implementation Day’, nachweislich erfüllt sind. Auch die Schweiz war bereit sich den Vereinten Nationen und der Europäischen Union hierbei anzuschließen.

Welche Sanktionen wurden am Implementation Day aufgehoben?

Am 16. Januar 2016 bestätigte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), dass Iran seinen Verpflichtungen im Rahmen des JCPOA erfüllt habe. Dementsprechend traten zeitgleich gemäß JCPOA die entsprechenden Aufhebungen der EU- und U.S.-Sanktionen in Kraft. Die Zertifizierung der IAEA wurde auch von U.S.-Außenminister John Kerry bestätigt. OFAC erteilte daraufhin – begleitet von detaillierten Richtlinien – die mit Spannung erwartete Generallizenz. Unter dieser ist es Tochtergesellschaften von U.S.-Unternehmen, die außerhalb der USA verortet sind, erlaubt, bestimmte Geschäftsbeziehungen mit iranischen Unternehmen oder der Regierung aufzunehmen. Aber in welchem Ausmaß ist es nun faktisch möglich Geschäfte zu tätigen? Und welche Leitlinien sollten Unternehmen und Personen befolgen, die in solche Geschäftsbeziehungen treten?

Geschäfte mit Iran: non-U.S. persons

Grundsätzlich gilt, dass non-U.S. persons und non-U.S. Finanzinstitute außerhalb der USA die meisten Finanz- und Bankgeschäfte mit der iranischen Zentralbank tätigen dürfen. Seit dem Implementation Day entfalten die U.S.-Sekundär-Sanktionen für non-U.S. persons in den folgenden Bereichen keine Wirkung mehr:

  • Finanztransaktionen und Bankgeschäfte mit iranischen Personen und Unternehmen, die inzwischen von den OFAC-Verbotslisten entfernt wurden. Dazu zählen die Specially Designated Nationals and Blocked Persons list (SDN), die Foreign Sanctions Evaders list (FSE), und/oder die Non-SDN Iran Sanctions Act list (NS-ISA)
  • Transaktionen und andere Aktivitäten in Bezug auf den Iranischen Rial
  • Bereitstellung von U.S.-Banknoten an die iranische Regierung und wesentliche Unterstützung bei solchen Transaktionen
  • Kauf, Zeichnung oder Unterstützung bei der Ausgabe von iranischen Schuldtiteln, einschließlich Staatsanleihen
  • Bereitstellung von Finanznachrichtendiensten für die Zentralbank des Iran und andere iranische Finanzinstitute, die von den Verbotslisten entfernt wurden.

Diese Erleichterungen erstrecken sich auch auf Transaktionen von non-U.S. Finanzinstituten, welche US-Filialen unterhalten, sofern letztere weder direkt noch indirekt an diesen Geschäften beteiligt sind. Darüber hinaus dürfen solche Transaktionen das U.S.-Finanzsystem nicht tangieren und sollten nicht in U.S.-Dollar abgewickelt werden.

Obwohl mehr als 400 Personen und Unternehmen am Implementation Day von der ursprünglichen SDN-Liste entfernt wurden, entfalten die U.S.-Sekundär-Sanktionen auch weiterhin für non-U.S. persons Wirksamkeit, die wissentlich wesentliche Finanztransaktionen mit iranischen oder diesen nahestehenden Personen der SDN-Liste ermöglichen. Dies umfasst auch die Bereitstellung von Materialien oder sonstige unterstützende Maßnahmen.

Demgegenüber ist es für non-U.S. persons nun zulässig, Underwriting Leistungen sowie Versicherungen oder Rückversicherungen für Schiffe anzubieten, die Öl aus dem Iran transportieren. Dies betrifft Schiffe der National Iranian Tanker Company (NITC) oder der Islamic Republic of Iran Shipping Lines (IRISL) sowie von der NITC oder IRISL gecharterte Schiffe im Eigentum von non-U.S. persons. Voraussetzung ist, dass solche Transaktionen nicht durch OFAC sanktionierte Personen involvieren oder anderweitig sanktionierte Aktivtäten beinhalten.

Geschäfte mit Iran: U.S. persons

Mit Beibehaltung der U.S.-Primär-Sanktionen gelten die seit dem Implementation Day in Kraft getretenen Erleichterungen jedoch nicht für U.S. persons. Bis auf wenige Ausnahmen ist es diesen also weiterhin untersagt, Geschäftsbeziehungen mit Iran aufzunehmen. Das Clearing von U.S.-Dollar Transaktionen oder Transaktionen in anderen Währungen über das U.S.-Finanzsystem (oder bei Involvierung einer U.S. person) ist nach wie vor verboten, insofern keine Ausnahmeregelung für die spezifische Transaktion vorliegt oder eine explizite Autorisierung seitens OFAC erfolgt ist. Für U.S. persons ist es generell verboten, Underwriting Leistungen, Versicherungen, Rückversicherungen in Verbindung mit Iran – einschließlich NITC und IRISL – anzubieten sowie entsprechende Forderungen zu bezahlen. Unkritisch sind weiterhin Reiseversicherungen für Einzelpersonen, die nach Iran reisen.

Zukünftige Vorgehensweise bei Geschäften mit Iran

Außer auf die Notwendigkeit hinzuweisen, stets Vorsicht walten zu lassen, gibt es keine Pauschallösung für die Vorgehensweise bei der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit Iran. Finanzinstitute und Banken sollten vor allem bei Korrespondenzbankbeziehungen  aufmerksam sein: Die U.S.-Regierung kann und wird immer dann Strafzahlungen verhängen, wenn ein U.S. Nexus hergestellt werden kann. Beispielsweise fallen Transaktionen, die scheinbar keine Berührungspunkte mit den USA aufweisen, alleine aufgrund der Tatsachen, dass sie in U.S.-Dollar abgewickelt oder durch eine U.S. Clearing Bank freigegeben werden, unter weiterhin zu beachtende Sekundär-Sanktionen.

Eine der zentralen Fragen, die von Unternehmen und Finanzinstituten außerhalb der USA gestellt wird, betrifft die Geschwindigkeit die beim Aufbau von Geschäftsbeziehungen mit Iran an den Tag gelegt werden darf und soll. Denn trotz der (partiellen) Aufhebung der Sanktionen gibt es weiterhin gute Gründe, sich in Zurückhaltung zu üben. Für Unternehmen, die bereits vor Verhängung der Sanktionen in Iran tätig waren, hatte der damalige Rückzug aus dem Land gravierende und auch kostspielige Folgen. Daher werden sich viele Finanzinstitute mit Korrespondenzbankbeziehungen bzgl. Freigaben zur Durchführung von Transaktionen an OFAC wenden, um so potenziellen Verstößen vorzubeugen.

Jedes Unternehmen, welches Geschäftsbeziehungen mit Iran unterhält, muss für alle beteiligten Unternehmen eine angemessene Due Diligence durchführen. Dabei muss sichergestellt werden, dass es keinen direkten oder indirekten Bezug zu sanktionierten natürlichen oder juristischen Personen gibt. Dies umfasst auch die Analyse der Eigentums- und Kontrollstrukturen.

Infolge nicht autorisierter Raketentests verhängte OFAC am 16. Januar 2016 neue Sanktionen gegen elf an der Beschaffung ballistischer Raketen für Iran beteiligte Einrichtungen und Personen. Diese neuen Einschränkungen für Aktivitäten außerhalb des JCPOA wurden unmittelbar im Anschluss an die Aufhebung anderer U.S.-Sanktionen am Implementation Day wirksam. Daran wird deutlich, wie schnell sich Änderungen  in der entsprechenden Sanktionsgesetzgebung ergeben können.

Dieses Beispiel zeigt auch auf, wie wichtig kontinuierliche Aus- und Weiterbildung auf allen Unternehmensebenen ist. Finanzinstitute und sonstige Unternehmen müssen mit den aktuellen Entwicklungen und Vorschriften Schritt halten  sowie ein detailliertes Verständnis der Risiken und Due Diligence Anforderungen entwickeln.

Die kommenden Monate können weitere Änderungen internationaler Sanktionen mit sich bringen.  Vor allem Russland bietet für europäische Unternehmen ein erhebliches Geschäftspotenzial. Jede Investition in die Ausbildung von Mitarbeitern und deren Risikobewusstsein zahlt sich für Unternehmen aus, die mit sanktionierten Staaten in Geschäftsbeziehungen treten – am Beispiel Iran nach vollständiger Aufhebung der Sanktionen sowie im weiteren Geschäftsverkehr.

Weitere Informationen und Quellen zum Thema Sanktionen finden Sie unter http://www.acams.org/aml-resources/sanctions/

Angela Salter ist Head of Europe der ACAMS (Association for Certified Anti-Money Laundering Professionals). Naidira Alemova-Goeres ist Partner im Bereich Fraud Investigation & Dispute Services bei EY mit Spezialisierung auf Sanktionen und Embargos. Sie ist ferner Beiratsmitglied des Deutschland Chapters der ACAMS (Association for Certified Anti-Money Laundering Professionals).

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