Die nach der Finanzkrise 2008 gestarteten Regulierungen des Finanzsektors haben nicht dazu beigetragen, mehr Vertrauen in die Branche zu schaffen: Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der im Rahmen des Edelman Trust Barometers 2017 Befragten finden, dass die Finanzmarktreformen die wirtschaftliche Stabilität nicht erhöht haben. Besonders hohe Skepsis gegenüber dem Finanzsektor haben die Befragten in Deutschland. Auf einer Skala von 0 bis 100 erreicht das bei der Umfrage ermittelte Vertrauen hier nur einen Wert von 35 Prozent. Nur in Irland fällt dieser Wert im weltweiten Vergleich mit 33 Prozent noch geringer aus.
„Gerade die Akzeptanz bei den Menschen vor Ort ist ein wichtiger Standortfaktor. Wenn Deutschland nach dem Brexit tatsächlich als ernsthafte Alternative zum Finanzplatz London in Betracht kommen will, ist es natürlich nicht gut, hier das Schlusslicht zu sein“, sagt Holger Nacken, Managing Director Financial Services bei Edelman.ergo. „Mehr Gesetze und Vorschriften allein haben sich offenbar als wenig hilfreich erwiesen, um Vertrauen aufzubauen. Im Gegenteil: Regulierungen wie MiFID II binden zum Beispiel in der Asset Management Branche enorme Ressourcen, die sich in der Anlegeraufklärung sinnvoller einsetzen lassen würden.“
Auch weltweit gibt es für den Sektor Nachholbedarf. Zwar ist knapp zehn Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise das Vertrauen der Bevölkerung in die Finanzindustrie insgesamt auf 54 Prozent gestiegen – das sind elf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu anderen Branchen landen Banken, Asset Manager, Versicherungen und andere Finanzdienstleister jedoch nach wie vor weit abgeschlagen auf dem letzten Rang. Zum Vergleich: Die Technologiebranche verzeichnet weltweit einen Vertrauenswert von 76 Prozent.
Kreditkarten-Anbieter liegen vorne
Während die Finanzbranche insgesamt deutlich hinter den anderen Branchen zurückliegt, gibt es bei den einzelnen Finanz-Untersektoren deutliche Unterschiede. Weltweit genießen die Anbieter von Kreditkarten und Zahlungssystemen vergleichsweise hohes Vertrauen (60 Prozent). Die Anbieter von elektronischen Zahlungsmöglichkeiten (E-Payments/Mobile Wallets) und Banken folgen mit 59 Prozent und 58 Prozent knapp dahinter. Am unteren Ende der Vertrauensskala rangieren Versicherungen (53 Prozent) sowie der Bereich Asset Management und Finanzberatung (50 Prozent).
Beschäftigte wichtig für Vertrauensaufbau
Für die gesamte Branche liefert die Edelman-Studie wichtige Anhaltspunkte, wie Finanzdienstleister Vertrauen neu aufbauen können. „Wichtige Botschafter sind dabei vor allem die Mitarbeiter in den jeweiligen Instituten. Denn das Trust Barometer zeigt, dass diese in der Bevölkerung recht hohes Vertrauen genießen“, erläutert Jörg Schüren, bei Edelman.ergo für die Beratung von Financial Services-Anbietern verantwortlich.
So wird den Experten des Unternehmens in sämtlichen betrachteten Feldern – seien es Geschäftszahlen, Umgang mit Kunden, Innovationen oder soziales Engagement – eine höhere Vertrauenswürdigkeit zugeschrieben als dem CEO oder den Unternehmenssprechern. „Es ist daher sinnvoll, die Mitarbeiter in den Dialog mit der Öffentlichkeit einzubinden“, sagt Schüren. Dies kann zum Beispiel auf Social-Media-Kanälen geschehen. Denn diese genießen eine höhere Glaubwürdigkeit als klassische Werbung – so ein weiteres Ergebnis der Umfrage.
Transparenz auch bei FinTechs wichtig
Eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme ist darüber hinaus das Thema Transparenz. Dies gilt auch für FinTech-Unternehmen wie zum Beispiel Robo Advisors, bei denen Computer die Anlageempfehlungen an die Investoren errechnen. Die einfache und verständliche Erklärung der Kosten (wichtig für 50 Prozent der Befragten) und die klare Erläuterung der Anlageempfehlungen (40 Prozent) sind hier die effizientesten Maßnahmen, um Vertrauen zu schaffen. Eine weitaus geringere Bedeutung hat dabei überraschenderweise der Aspekt, dass die Anlage überdurchschnittliche Ergebnisse liefern soll (28 Prozent).
Quelle: Edelman.ergo
Finanzmarktregulierungen laufen ins Leere
01 November 2017