Die zunehmende Komplexität von Investmentprodukten und ihre Regulierung schreien nach einem neuen Ansatz in der Kommunikation. Investmenthäuser müssen effizienter mit ihren Anlegern kommunizieren, sofern sie keine Strafen für unterstellte Täuschungsabsichten beim Verkauf von Finanzprodukten (misselling) und einen Imageschaden riskieren wollen. Für Kunden muss Investmentsprache deshalb entmystifiziert werden. Und Fondsmanager sollten lernen, ihr technisches Wissen zu komprimieren und zu vermitteln. Um dies zu erreichen – insbesondere wenn dabei von einer in eine andere Sprache gewechselt wird – müssen Unternehmen in der Lage sein, ihre Inhalte zu „transkreieren“ anstatt sie nur wörtlich zu übersetzen.
Ein Beitrag von Ross Hunter, Copylab, und Hagen Gerle, Gerle Financial Communications*
Wir leben in einer Welt, in der es hochentwickelte Produkte und Dienstleistungen im Überfluss gibt. Dabei sind die erfolgreichsten Produkte solche, die dem Kunden trotz ihrer Komplexität die beste Nutzung bieten. Von ihnen können Fondsmanager viel lernen.
So ist es bei Entwicklung von Touchscreens für den Apple iPod gelungen, dieses hoch komplizierte elektronische Gerät mit seinen Tausenden Funktionen dennoch nutzerfreundlich zu gestalten, weil seine Anwendung so intuitiv ist. Seitdem haben wir eine Flut von Innovationen in diesem Bereich erlebt: Smartphones, SmartUhren, das „denkende Haus“ und schon bald das fahrerlose Auto. Obgleich gespickt mit Technologie sind diese Geräte immer einfacher zu handhaben – mit einigen können wir mittlerweile sogar sprechen –, denn die Erfinder versetzen sich während des Entwicklungsprozesses immer wieder in die Produkterfahrung des Kunden.
„Was hat das denn mit der Fondsindustrie zu tun?“, hören wir Sie fragen. Nun, Fondsgesellschaften können hervorragend findige Investmentstrategien entwickeln. Doch die meisten von ihnen sind ganz schrecklich darin, diese Produkte und Strategien zu erklären oder Anlegern nahezubringen.
Können die Kunden immer ausgefeiltere Fondsstrategien verstehen?
Um die Kommunikationslücke in der Investmentindustrie zu verstehen, müssen wir zunächst begreifen, was das Fondsmanagement überhaupt dazu gebracht hat, solche innovativen Produkte zu entwickeln. Die niedrigen Zinssätze seit 2009 haben vielleicht globales Wirtschaftswachstum und Firmenprofite begünstigt – Investoren in Sparanlagen haben die niedrigen Zinsen jedoch nicht geholfen und festverzinsliche Wertpapiere
relativ teuer werden lassen. Als sich „niedriger für länger“ in anscheinend „niedrig für immer“ verwandelte, haben Anleger ertragreichere Investmentmöglichkeiten gefordert, ohne dabei jedoch unbedingt höhere Risiken in Kauf nehmen zu wollen.
Die Investmentbranche hat darauf reagiert, indem sie immer komplexere Investmentstrategien im Markt eingeführt hat, beispielsweise „liquid alternatives“. In manchen Fällen sind dem Endanleger auch Nischenprodukte oder typische, rein institutionelle Strategien zugänglich gemacht worden. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Hedgefonds, Absolute-Return-Fonds, Renminbi- und Sharia-Rentenfonds, Aktienfonds aus Schwellenländern und Emerging Markets der nachfolgenden Generation, strukturierte Rentenfonds, Anlagen in Infrastruktur und Wälder … es gibt viele weitere solcher Beispiele.
Einige dieser Anlagen können private Anleger direkt als Ucits-Fonds erwerben. Andere, die weniger liquide sind oder höheren Risikoklassen zuzuordnen sind, werden in breit streuenden Multi-Asset-Vehikeln verpackt, bei denen Risiko und Liquidität über viele Anlageklassen verteilt werden können.
Schon lange basieren Anlegerentscheidungen nicht mehr nur auf der Verteilung zwischen Aktien und Renten, vielmehr gibt es heute Hunderte von investierbaren Möglichkeiten. Diese sind durch die Einführung von börsennotierten Fonds (Exchange Traded Funds, ETFs) und die Verbreitung von Fondsplattformen für jeden zugänglich. Und so ermöglichen sie es Anlegern etwas so Spezifisches wie einen US-Telecom-Sector-Index mehrmals täglich zu kaufen oder zu verkaufen. Doch trotz all dieser Möglichkeiten: Verstehen Fondsmanager und ihre Kunden einander wirklich?
Ausgestaltung von Fonds und staatliche Regulierung haben die Kommunikation längst überholt
Die Nachfrage der Anleger nach mehr risikoadjustierten Erträgen und wahrer Diversifikation hat Asset Manager dazu gedrängt, immer innovativere Produkte zu entwickeln. Das ist ganz klar eine gute Sache. Aber leider ist das Verständnis der Kunden nicht im selben Maße gewachsen wie diese Explosion an Möglichkeiten. Und jetzt sind Kunden nicht mehr willens oder in der Lage, selbstbewusst eine Auswahl aus der enormen Palette an angebotenen Produkten zu treffen und für sich zu nutzen.
In Großbritannien ist das Engagement von Kunden hinsichtlich ihrer Pensionsplanung dermaßen gering, dass nur 20 Prozent aller Leute, die Zugang zu einer Betriebsrente haben, ihre eigene Investitionsentscheidung treffen. Die übrigen 80 Prozent akzeptieren den von ihrem Arbeitgeber vorgegebenen Investmentfonds. In Deutschland wird hoffentlich das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) dazu beitragen, die wachsende Lücke in der betrieblichen Altersversorgung zwischen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in den Konzernen und solchen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) zu schließen.
Der Mangel an Kundenengagement hat zwei Gründe: schlechte Nutzerfreundlichkeit und schlechte Kommunikation. Vor allem ist es notwendig, die Fachsprache der Finanzindustrie zu entmystifizieren. Finanzdienstleistungen sind bekannt für ihren Jargon und ihre Widersprüchlichkeit, ganz besonders in turbulenten Zeiten, in denen Klarheit umso wichtiger sein sollte.
Die schlechte Nachricht ist, dass sich der Finanzjargon sogar noch verschlimmern wird, weil auch die Komplexität in der staatlichen Finanzregulierung immer weiter zunimmt. Sie werden erleichtert sein zu hören, dass wir uns jetzt nicht in PRIIPS, MiFID II oder GDPR vertiefen. Aber wir wollten diese schrecklichen Abkürzungen aufzählen, um darauf hinzuweisen, wie sehr Finanzdienstleistungsunternehmen immer mehr mit Regulierungen überbeladen werden.
Viele dieser rechtlichen Bestimmungen betreffen unausweichlich auch die Kunden. Wenn man die Überfrachtung durch Regularien mit ausgeklügeltem Produktdesign und einer zunehmenden Verbreitung von Anlagemöglichkeiten kombiniert, ist es offensichtlich, dass Fondsgesellschaften unter Druck geraten werden, effizienter mit ihren Investoren zu kommunizieren. Denn falls sie das nicht tun, riskieren sie hohe Geldbußen für eine unterstellte Täuschungsabsicht beim Verkauf von Finanzprodukten an Kunden, die beispielsweise nicht verstehen, dass ihr hochverzinslicher long/short Schwellenländerrenten-ETF in Wirklichkeit eine hochriskante Anlage ist.
Wie lautet also die Lösung?
Die Herausforderung lautet: „Ein wenig Wissen ist eine gefährliche Sache“, wie der englische Dichter Alexander Pope recht elegant schrieb. Doch liegt die Menge an Wissen, die man benötigt, um das ganze Investment-Universum zu verstehen, jenseits des Verstandes eines Einzelnen. Die Aufgabe besteht vielmehr darin, so viel technische Information zu verdichten und in etwas zu übertragen, das für den Kunden wirklich von Bedeutung ist.
Kommen wir zurück auf die Parallele mit dem Touchscreen iPod – das ursprüngliche Gerät wurde nicht mit einer 400-seitigen Gebrauchsanleitung geliefert, die jede Anwendung genau erklärt. Apple hat sich vielmehr auf cleveres Design, intuitive Anwendung sowie auf klare Navigation und Kommunikation verlassen. Der Rest bleibt dem gesunden Menschenverstand des Nutzers überlassen.
„Aber der Finanzsektor ist doch schwer reguliert!“, hören wir bereits Ihren Einwand. Natürlich liegen Sie damit genau richtig – aber das Gleiche gilt auch für Automobilhersteller und Pharmaproduzenten. Das sind Branchen, in denen Gesetze und Regularien vorgeben, wie Produkte entwickelt, hergestellt und vermarktet werden. Und trotzdem wissen Kunden ganz genau, welchen Nutzen ihnen Audi, Porsche, Penicillin und Viagra bringen.
Wir in der Finanzbranche können davon lernen. Wir müssen nur aufhören, uns hinter einem Jargon zu verstecken, der unsere Industrie verschandelt und Misstrauen beim Kunden sät. Bemerkenswerterweise haben die Behörden, welche die Investmentindustrie beaufsichtigen, das längst erkannt: Alleine die Tatsache, dass Vorschriften Asset Manager dazu zwingen, die Key Investor Documents (KID) für ihre Ucits-Fonds (und bald auch für ihre PRIIPs-Fonds) in klarer Sprache zu verfassen, unterstreicht, welch schlechte Meinung die Behörden von unserer Fähigkeit haben, klar mit Verbrauchern zu kommunizieren.
Warum spezialisiertes Investment writing bald die Norm sein wird
Der Bedarf an hochwertiger und anlegergerechter Information wächst – nicht nur getrieben durch die Ansprüche von Kunden nach klarer Information und neuen Fondsentwicklungen, sondern auch durch die Vorgaben der Aufsichtsbehörden. Noch viel mehr steht auf dem Spiel, wenn die Zielgruppe international ausgerichtet ist und hochwertige Unterlagen in englischer Sprache verlangt.
Der zunehmende Kostendruck hat Investment-Unternehmen dazu gezwungen, nach externer Unterstützung zu suchen, um ihre Geschäftstätigkeit zu verbessern, bei gleichbleibendem oder idealerweise höherem Gewinn. Das ist der Grund, warum es (wenige) spezialisierte Investment-writing-Agenturen gibt: Unsere Kunden erzählen uns, dass allgemein ausgerichtete Marketingagenturen oder generalistische freiberufliche Texter nicht in der Lage sind, die komplexen technischen Aspekte eines inflationsgebundenen Rentenfonds zu erfassen und sie einem Endinvestoren zu erklären. Der Trend im Fondsmarkt zu Verfeinerung, einem leichteren Zugang zu solchen Fonds und eine strengere Aufsicht verstärken diesen dringenden Bedarf.
Diese zunehmende Anforderung ist sogar noch wichtiger, wenn man die potenziellen Fallstricke beim Einsatz von Übersetzungen für immer kompliziertere Produkte berücksichtigt; umso mehr wenn die Aufsichtsbehörden eine klare Sprache fordern. Das Risiko von Fehlübersetzungen – und mit ihm die Folgen für den Ruf des Asset-Managers – steigt im selben Maße wie innovative, neue Produkte auf den Markt kommen. Wir glauben, dass die Finanzindustrie in Europa sich zwangsläufig einem Modell zuwenden wird, das „Transcreation“ einer einfachen Übersetzung vorziehen wird.
Die technologische Revolution sollte uns daran erinnern, dass Evolution und Innovationsgeist nicht zu stoppen sind – in keiner Industrie. Sich ändernde Verbrauchertrends und jüngere (ungeduldigere) Kunden fordern intuitive und klare Nutzungserfahrung von den Unternehmen, mit denen sie zu tun haben. Deshalb werden die erfolgreichsten Unternehmen jene sein, die Zeit und Mühe darin investieren, wie sie ihre Produkte vertreiben und mit ihren Kunden kommunizieren.
* Die Autoren, Ross Hunter, Gründer und Geschäftsführer von Copylab, und Hagen Gerle, Director von Gerle
Financial Communications, sind Investment-writing-Spezialisten für Unternehmen aus der Fondsbranche. Zu
ihren Kunden zählen große internationale Investmenthäuser und spezialisierte Asset-Management-Boutiquen
aus aller Welt.