Finanzielle Widerstandsfähigkeit: gut, aber oft nicht gut genug

15 Februar 2024
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Die Preise steigen, die Wirtschaft schrumpft: Die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher könnten finanzielle Widrigkeiten aushalten. Das zeigt eine aktuelle Studie. Sie verdeutlicht aber auch: Nicht wenige Menschen könnten schnell in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Beispielsweise, wenn größere ungeplante Ausgaben anstehen. Wie widerstandsfähig fühlen sich Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn es um ihre persönlichen Finanzen geht? Um diese und andere Fragen geht es in einer Auswertung der BaFin. Grundlage dafür war eine Befragung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development – OECD). Die BaFin hat die Studie in Deutschland koordiniert und die Daten zu den Themen finanzielle Resilienz, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Finanzwissen ausgewertet.

Etwa zwei von drei Verbraucherinnen und Verbrauchern sind mit ihrer aktuellen finanziellen Situation zufrieden. Zum Vergleich: In der vorangegangenen Untersuchung im Jahr 2019 gaben nur 42 Prozent an, mit ihrer finanziellen Situation zufrieden zu sein. Insgesamt fühlen sich Verbraucherinnen und Verbraucher nach den Ergebnissen der Untersuchung 2022 finanziell besser aufgestellt. 85 Prozent verkrafteten laut eigenen Angaben unvorhergesehene finanzielle Ausgaben in Höhe ihres Monatseinkommens, ohne sich Geld zu leihen, oder Familienmitglieder oder Freunde, um Hilfe bitten zu müssen (2019: 62 Prozent). Von den befragten Alleinerziehenden wären 76 Prozent dazu in der Lage.

Doch es gibt auch eine Kehrseite: Bei zu vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern reicht das Geld nicht und sie sind für mögliche Engpässe kaum gerüstet: 35 Prozent der Befragten kommen nur gerade so zurecht. 14 Prozent gaben an, dass ihr Einkommen in den zwölf vorherigen Monaten nicht immer gereicht hatte, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken. 15 Prozent der Befragten bräuchten finanzielle Unterstützung, um ungeplante größere Ausgaben zu bezahlen.
Längere finanzielle Durststrecken für jeden Vierten problematisch

Ein Viertel der Befragten stellte es kurzfristig vor Probleme, wenn ihre Haupteinkommensquelle wegfiele: 15 Prozent kämen zwar mindestens einen Monat, aber weniger als drei Monate zurecht (2019: 25 Prozent). Zehn Prozent könnten nicht einmal einen Monat überbrücken.

57 Prozent gaben an, ihre Lebenshaltungskosten für mindestens sechs Monate decken zu können, wenn ihre Haupteinnahmequelle wegfiele. Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber 2019, als dazu nur 29 Prozent in der Lage waren. Immerhin 18 Prozent der Befragten könnten es mindestens drei, aber weniger als sechs Monate schaffen.
Interesse für Finanzthemen wächst, aber jeder Dritte ignoriert Kleingedrucktes

Laut Studie sind Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur besser vorbereitet auf finanzielle Engpässe, 86 Prozent der Befragten gaben auch an, ihre Finanzangelegenheiten sehr genau im Blick zu haben. Das sind deutlich mehr als 2019; damals sagten das nur 57 Prozent. 60 Prozent setzten sich langfristig finanzielle Ziele und versuchten, diese auch zu erreichen (2019: 54 Prozent).

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sprechen immer noch nicht gerne über ihre finanzielle Situation. Immerhin 15 Prozent thematisieren Geldfragen in ihrem engeren Umfeld, 2019 waren es acht Prozent.

Zu wenig Verbraucherinnen und Verbraucher lesen aufmerksam das Kleingedruckte. 35 Prozent ignorieren es schlichtweg – und übersehen bei Finanzprodukten oft wichtige Informationen. Dabei haben viele Verbraucherinnen und Verbraucher noch Nachholbedarf in Sachen Finanzwissen, wie die Studie ebenfalls zeigte.

Geld bleibt häufig auf dem Spar- oder Girokonto

73 Prozent der Befragten sparen Geld auf ihrem Spar- oder Girokonto an (2019: 69 Prozent). Diese Anlageform bleibt also am beliebtesten. 27 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher sparen zu Hause Bargeld an. Das ist mehr als doppelt so viel wie 2019.

Während der Anteil der Befragten, die in Gold oder Immobilien oder auch in Anleihen oder Termineinlagen anlegen, zurückging, sind Kryptowerte beliebter geworden. Fünf Prozent investieren in solche Produkte. Die BaFin hat Anlegerinnen und Anleger bereits mehrfach vor deren Risiken gewarnt.

Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Mehr als doppelt so viele legen ihr Geld in Aktien1 an. Der Anteil stieg von 18 auf 44 Prozent.
Im Ruhestand arbeiten

Im Alter erwarten 84 Prozent der Befragten, die sich noch nicht im Ruhestand befinden, eine Rente oder Pension vom Staat. Das sind weniger als 2019, damals erwarteten das noch 90 Prozent. Auch die private Vorsorge, beispielsweise über eine Kapitallebensversicherung oder eine Riester-Rente, ist mit 62 Prozent rückläufig (2019: 71 Prozent). Die betriebliche Altersvorsorge wird hingegen immer wichtiger: 54 Prozent der Nicht-Ruheständler sorgen damit für das Alter vor. 2019 waren es noch 38 Prozent. 35 Prozent der Nicht-Ruheständler setzen auf Kapitalanlagen wie zum Beispiel Aktien, Anleihen oder Investmentfonds (2019: 35 Prozent).

Der Anteil derer, die mit dem Kauf einer selbstgenutzten Immobilie für das Alter vorsorgen möchten, ging zurück: von 73 auf 52 Prozent. Auch rechnen nur noch 32 Prozent und damit deutlich weniger Nicht-Ruheständler mit Einkünften aus Geld- und Sachvermögen (2019: 48 Prozent).

Ein Drittel der Befragten wollen im Rentenalter weiterarbeiten, um mehr Geld zu haben. 17 Prozent sind von ihrer Vorsorge nicht überzeugt oder haben gar keine finanziellen Pläne für das Alter (2019: 36 Prozent). Unter den Alleinerziehenden lag der Anteil sogar bei 49 Prozent.

Dass die gesetzliche Rente in der Regel nicht für ein gutes Leben im Alter ausreicht und wie wichtig die betriebliche und private Altersvorsorge sind, hat die BaFin auch in ihrem Verbraucherschutz-Podcast thematisiert.

Was empfiehlt die BaFin?

Machen Sie einen Finanzencheck: Wie hoch sind Ihre monatlichen Einnahmen – im Vergleich zu Ihren Ausgaben? Wie sehen Ihre Reserven aus?
Vergleichen Sie Geldanlagemöglichkeiten, zum Beispiel Angebote für Festgeld, Tagesgeld, Sparbriefe etc., informieren Sie sich über Wertpapierinvestments.
Lesen Sie immer das Kleingedruckte – und fragen Sie im Zweifel nach.
Planen Sie Ihre Altersvorsorge. Fordern Sie Ihre Renteninformation an, justieren Sie, bei Bedarf und nach Beratung durch die Verbraucherzentrale, Ihre private Vorsorge nach.

OECD/INFE-Studie zur finanziellen Bildung von Erwachsenen in Deutschland 2022

Die Studie zur finanziellen Bildung ist Teil einer Befragung, die das Internationale Netzwerk zur Finanziellen Bildung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development – OECD) entwickelt und koordiniert hat. Ziel ist es, eine international vergleichbare Datenbasis zur finanziellen Bildung und finanziellen Inklusion zu schaffen.

Die Befragungen finden in einem Abstand von drei Jahren statt. Bislang gab es vier Befragungen, die vorletzte 2019. Die BaFin koordiniert seitdem die Datenerhebung für Deutschland. Die aktuellste Erhebung fand im September und Oktober 2022 statt. Dabei führte ein Marktforschungsinstitut 1.000 computergestützte Telefoninterviews mit Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren durch. Die BaFin wertet diese Daten auch selbst aus und nutzt die Erkenntnisse, um ihr Mandat im kollektiven Verbraucherschutz auszuüben.

Die umfangreiche Befragung umfasste die Einstellungen der Befragten zu Geld und Finanzen, ihre Probleme mit Finanzprodukten oder -dienstleistungen oder ihr Vertrauen in das Finanzsystem. Länderübergreifende Ergebnisse der internationalen Studie werden von der OECD zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht. Die BaFin hat die Daten für Deutschland in Bezug auf die Themen finanzielle Resilienz, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Finanzwissen ausgewertet.

Quelle: BaFin Journal

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