Bundesbank: Finanzsystem hat Zinswende bisher gut verkraftet

28 November 2023
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Das makrofinanzielle Umfeld ist von der Zinswende und einer erhöhten Unsicherheit geprägt. Bisher hat das deutsche Finanzsystem den Zinsanstieg des vergangenen Jahres gut verkraftet, allerdings sind die Effekte noch nicht vollumfänglich eingetreten. Der Strukturwandel in der Wirtschaft dürfte zudem die Kreditrisiken weiter erhöhen. „Die aktuell gute Gewinnlage ermöglicht es den Instituten, ihr Kapital und damit ihre Resilienz gegenüber negativen Entwicklungen weiter zu stärken“, sagte Claudia Buch, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, anlässlich der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2023. Auch in negativen Szenarien sollten die Institute ausreichend kapitalisiert und liquide sein, um Schocks aus eigener Kraft abfedern zu können. Resilienz erfordere zudem Investitionen in die IT-Infrastruktur, um auch gegen Cyberrisiken gewappnet zu sein.

Viele Institute profitieren von den gestiegenen Zinsen und verzeichnen aktuell höhere Gewinne. Die Kernkapitalquote der Banken ist zuletzt weiter gestiegen und beträgt derzeit rund 18 Prozent. Mittelfristig könnten die Zinsmargen allerdings unter Druck geraten. Denn bislang sind höhere Zinsen nur unvollständig an die Einleger weitergegeben worden. Die Kreditnachfrage ist schwach und begrenzt die Möglichkeiten der Banken, ihre Zinserträge zu steigern. Als Reaktion auf gestiegene Kreditrisiken strafften die Banken ihre Vergabestandards. Darüber hinaus haben die Banken in erheblichem Maße stille Reserven abgebaut, um Marktpreisverluste ihrer Aktiva abzufedern. Gleichzeitig sind die stillen Lasten gestiegen – bei Banken und Versicherern.

Auf dem Immobilienmarkt hat die Zinswende zu fallenden Preisen geführt, so dass Sicherheiten neu bewertet werden müssen. Insbesondere im Bereich der Gewerbeimmobilien sind die Kreditrisiken erhöht, da relativ kurze Zinsbindungen eine schnelle Weitergabe höherer Zinsen an die Kreditnehmer ermöglichen. Kreditrisiken aus der Finanzierung von Wohnimmobilien sind angesichts einer stabilen Arbeitsmarktlage und festen Zinsbindungen mittelfristig zwar noch begrenzt, sollten aber ebenfalls im Fokus von Instituten und Aufsicht bleiben.

Der Strukturwandel fordert das Finanzsystem zusätzlich

Die deutsche Wirtschaft ist strukturellem Anpassungsdruck ausgesetzt, der sich durch die unsichere geopolitische Lage und die Klimakrise noch verstärkt hat. Mittelfristig dürften Kreditrisiken gerade bei den Unternehmen entstehen, die hoch verschuldet sind und sich stark an die neuen Rahmenbedingungen anpassen müssen. „Ein robuster Finanzsektor kann einen wesentlichen positiven Beitrag zum Gelingen des Strukturwandels leisten. Strukturwandel bedeutet aber auch: mehr Insolvenzen und steigende Kreditrisiken“, so Buch.

Ein wesentlicher Treiber des Strukturwandels ist die Dekarbonisierung der Wirtschaft. In einer aktualisierten Szenarioanalyse untersucht der Bericht die Auswirkungen eines Anstiegs der CO2-Preise auf Bewertungen von Forderungen gegenüber CO2-intensiven Industrien. Die entstehenden Bewertungsverluste für den Finanzsektor dürften demnach begrenzt sein und die Solvenz der Institute nicht in Frage stellen. Eine geordnete ökologische Transformation, eine planbare Energiewende sowie Transparenz über deren Folgen würden den Finanzsektor zudem vor größeren künftigen Verlusten bewahren.

Erhöhte Risiken und Unsicherheit erfordern eine ausreichende Resilienz

Der Bericht unterstreicht die Bedeutung eines ausreichend resilienten Finanzsektors, um mit Risiken aus Strukturwandel und erhöhter geopolitischer Unsicherheit umzugehen. Das im Januar 2022 beschlossene makroprudenzielle Maßnahmenpaket ist demnach weiterhin angemessen. Dieses Paket schafft einen Kapitalpuffer in Höhe von knapp 24 Milliarden Euro. Mit Ausnahme weniger kleiner Institute konnten die Banken die Anforderungen erfüllen, ohne neues Kapital bilden zu müssen. Negative Auswirkungen auf die Kreditvergabe oder die Zinsen waren nicht zu verzeichnen. Eine Freigabe der Puffer wäre erst dann angezeigt, wenn aufgrund hoher Verluste eine Kreditklemme drohte. In einer solchen Stressphase könnten die Banken Kapitalpuffer und weitere Kapitalreserven nutzen, um Verluste aufzufangen. Eine Verschlechterung der konjunkturellen Aussichten ist keine hinreichende Bedingung für eine Freigabe der Puffer.

„Hinsichtlich der Regulierung hat die Umsetzung von Basel III Priorität“, forderte die Bundesbank-Vizepräsidentin. Gleichzeitig müsse der Regulierungsrahmen gezielt weiterentwickelt werden. Risiken aus der wachsenden Bedeutung von Nichtbanken und gezielte Anpassungen der Liquiditätsregulierung stünden dabei im Vordergrund. Wichtig sei zudem eine starke, proaktive Aufsicht, die schnell auf Fehlentwicklungen reagiert.

Gelingt das Zusammenspiel aller Akteure, kann das Finanzsystem ein starker Partner zur Bewältigung des anstehenden Strukturwandels sein. Eine unzureichende Resilienz und fehlende Klarheit über den politischen und regulatorischen Rahmen für die Dekarbonisierung würden die hohe Unsicherheit und bestehende Verwundbarkeiten verstärken.



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