Das Mitte vergangenen Jahres für Banken verpflichtend eingeführte „Jedermann-Konto“ stellt Kreditinstitute vor erhebliche Herausforderungen. Doch trotz des damit verbundenen Aufwands sowie zusätzlicher rechtlicher Unsicherheit sehen von LexisNexis Risk Solutions im Financial Inclusion & Transparency Survey befragte Compliance-Verantwortliche sowohl die gesellschaftliche wie auch rechtliche Notwendigkeit dieser Regelung. So bestätigen 86 Prozent der Befragten: „Finanzielle Inklusion gehört zu den Prioritäten im Führungsgremium meines Instituts.“
Seit der Einführung des „Jedermann-Kontos“ im Juni 2016 dürfen Banken niemandem mehr eine Kontoeröffnung verwehren – ganz unabhängig vom wirtschaftlichen, sozialen oder rechtlichen Status. Damit haben auch Wohnungslose, Asylsuchende und Personen ohne Aufenthaltsstatus Anspruch darauf, am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilzunehmen oder Ein- und Auszahlungen von Bargeld durchzuführen. Die gesellschaftliche Bedeutung dieser Verpflichtung ist den Banken durchaus bewusst: „Es ist mir wichtig, dass die Institution, für die ich arbeite, Finanzdienstleistungen für diesen Teil der Bevölkerung anbietet“, sagen 80 Prozent der Befragten. Und auch für die große Mehrheit der Institute selbst ist dieser Aspekt von hoher Bedeutung.
Rechtlich jedoch bringt diese Verpflichtung die Finanzhäuser in eine Zwickmühle. Denn mit regulatorischen Entwicklungen wie der in diesem Juni in nationales Recht umzusetzenden 4. Anti-Geldwäsche-Richtlinie steigen die Erwartungen an die Institute, ihre Kunden zu kennen und die von ihnen durchgeführten Transaktionen zu verstehen. Diesbezüglich gibt es Bedenken hinsichtlich möglicher Auswirkungen der finanziellen Eingliederung und der Folgen für die Institute, entsprechende Risiken vermehrt auf sich zu nehmen (so genanntes Re-Risking). So gibt es wenig Anzeichen dafür, dass der regulatorische Druck auf die Institute abnimmt. Damit entsteht ein nachhaltiger Druck auf die Finanzinstitute, bei steigenden Kosten verstärkt Compliance-Risiken auf sich zu nehmen.
Im Rahmen des Jedermann-Kontos können Kontoinhaber außerdem schneller und einfacher zu einem anderen Institut wechseln. Das neue Finanzinstitut ist dabei verpflichtet, ein- und ausgehende Überweisungen, Daueraufträge und Lastschriften des alten Kontos zu übernehmen. Insgesamt stehen die Institute damit vor erheblichen Anforderungen bezüglich der Prüfung von Ausweisdokumenten auf deren Echtheit, bezüglich den allgemeinen mit dem Stichwort „Know your Customer“ beschriebenen Anforderungen sowie ihren Verpflichtungen im Bereich der Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung.
Trotzdem sehen die Institute die finanzielle Inklusion vor allem als Chance. „Ich verstehe, dass die finanzielle Einbindung eine Voraussetzung für die finanzielle Transparenz ist“, sagen 86 Prozent der befragten Compliance Manager. Denn finanzielle Transparenz dient letztlich einem effizienteren Vorgehen gegen illegale Handlungen.
Für Seyfi Günay, Direktor für Finanzkriminalität und Compliance für die Region EMEA bei LexisNexis Risk Solutions, leistet finanzielle Einbindung einen wesentlichen Beitrag für die Bekämpfung von Geldwäsche und anderen Delikten: „Der Ausschluss ganzer Kundengruppen etwa nach Merkmalen wie ihrer Herkunft im Rahmen eines so genannten De-Risking darf nicht die Lösung für eine kostengünstige Einhaltung gesetzlicher Anforderungen im Rahmen einer Know-your-Customer-Prüfung sein. Im Gegenteil: Je mehr Menschen und Unternehmen in das Finanzsystem einbezogen sind, desto besser die Möglichkeiten, illegale Aktivitäten aufzudecken und zugleich rechtschaffene Menschen vor einem Generalverdacht zu schützen.“