Jennifer Garic
Wenn Frauen sich für ein Kind entscheiden, verabschieden sie sich zeitgleich von einem großen Teil ihrer Rente. Männer stehen weit besser da. Eine aktuelle Studie zeigt: Sie bekommen im Schnitt rund 150 Euro mehr Rente pro Monat. Auch wenn Frauen seit rund 60 Jahren in Deutschland offiziell gleichberechtigt sind, sieht die Realität gerade im Berufsleben meist anders aus: Frauen verdienen weniger Geld, sind seltener in Chefpositionen vertreten und arbeiten häufiger in Teilzeit, weil sie sich um Haushalt und Kinder kümmern.
Wissenschaftler der Universitäten Mannheim und Tilburg haben nun untersucht, wie sich diese Ungerechtigkeiten auf die gesetzliche Rente von Mann und Frau auswirken. Das Ergebnis: Frauen bekommen durchschnittlich 26 Prozent weniger Rente als Männer. Wenn eine durchschnittliche Frau also mit 67 Jahren in Rente geht, hat sie monatlich 140 Euro weniger als ein durchschnittlicher Mann zur Verfügung. Nach 15 Jahren in Rente summiert sich die Lücke bereits auf rund 25.000 Euro.
Für die Studie haben Alexandra Niessen-Ruenzi von der Universität Mannheim und Christoph Schneider von der Tilburg University die Daten von 1,8 Millionen Arbeitnehmern aus einer repräsentativen Datenbank des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ausgewertet und deren gesetzlichen Rentenansprüche berechnet. Dabei zeigte sich: Bis zum 35. Lebensjahr sind die Rentenansprüche von Mann und Frau noch gleich. Der Unterschied liegt laut Studie bei nahezu null Prozent.
Danach öffnet sich die Schere und Männer erwerben deutlich mehr Rentenpunkte. Diese Punkte richten sich hauptsächlich nach dem Bruttogehalt und entscheiden später über die Höhe der gesetzlichen Rente. 36- bis 45-jährige Frauen erwirtschaften im Mittel 15 Prozent weniger Rentenpunkte, bei den 46- bis 55-Jährigen sind es schon 27 Prozent.
„Der wahrscheinlichste Grund für diese Entwicklung ist, dass viele Paare in den Dreißigern eine Familie gründen“, sagt Alexandra Niessen-Ruenzi, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Corporate Governance an der Universität Mannheim. „Da Frauen häufiger als Männer nach der Geburt eines Kindes ihre Arbeitszeiten reduzieren, beginnt sich das geschlechtsspezifische Lohngefälle genau in dieser Altersgruppe zu entwickeln – mit drastischen Folgen für die Finanzen von Frauen und ihre spätere Rente.“
Wie groß die Gehaltseinbußen von Müttern sind, hat ein anderes Forscherteam Anfang des Jahres für mehrere Länder berechnet. Deutschland ist der traurige Spitzenreiter: Auch zehn Jahre nach der Geburt des ersten Kindes verdienen deutsche Frauen noch 61 Prozent weniger als vorher. Die Wissenschaftler haben dafür den Verdienst aller Mütter einberechnet – hört eine Frau nach der Geburt auf zu arbeiten, liegt ihr Gehalt also bei null Euro. Die Untersuchung zeigt auch: Bei den Männern ändert sich gar nichts, das Gehalt bleibt gleich, auch nachdem sie Vater geworden sind.
In Dänemark, Schweden, Großbritannien und den USA sieht das anders aus: Hier nehmen die Männer nach der Geburt ihres Kindes bis zu zehn Prozent weniger Gehalt in Kauf. Bei den Frauen ist es mit 21 bis 44 Prozent auch hier mehr als bei den Vätern, die Einkommensschere geht allerdings nicht so weit auseinander wie in Deutschland. Die Unterschiede haben unter anderem kulturelle Gründe.
Den Begriff der Rabenmutter gibt es in keiner anderen Sprache
In Skandinavien ist die Gesellschaft in weiten Teilen emanzipierter als zum Beispiel in Deutschland. Die meisten Bürger erwarten von Frauen nicht, dass sie zu Hause bleiben und sich um die Kinder kümmern. In Deutschland gelten berufstätige Mütter noch oft als Rabenmütter. Eine Eigenheit der Deutschen, wie der Ökonom Hermann von Laer in seinem Buch „Was sollen unsere Kinder lernen?“ schreibt. Denn den Begriff der Rabenmutter gibt es in keiner anderen Sprache.
Andere Faktoren sind: Fehlende Betreuungsplätze sowie die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Forscher sehen auch falsche Anreize durch den Staat: In Deutschland müssen Väter nur zwei Monate zuhause bleiben, damit die Familie das volle Elterngeld bekommt. Eine Untersuchung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt: Mütter beziehen im Durchschnitt 11,6 Monate lang Elterngeld, die Männer nur 3,1 Monate. Frauen stemmen also auch heute noch den Löwenanteil bei der Erziehung der Kinder. Sie kommen zuerst beim Gehalt zu kurz. Und später bei der Rente.
Die Autorin Jennifer Garic hat ein Masterstudium der Politikwissenschaften an der Universität zu Köln und ein Bachelorstudium der Sozialwissenschaften an der Universität zu Köln.