Der deutsche Schuldscheinmarkt brummt. Im Jahr 2015 lag das Neuemissionsvolumen um mehr als 60 Prozent höher als im Vorjahr. Allerdings droht die zunehmende Zahl kleinerer Emittenten die Qualität der Papiere zu verwässern, warnt Scope Ratings.
Kleine und mittelgroße Unternehmen zapfen zunehmend den Schuldscheinmarkt an – mit erheblichen Folgen für Investoren: „Zwar ist die Unternehmensgröße nicht per se ein Indikator für die Kreditqualität einzelner Emittenten, kleinere Emittenten können jedoch die durchschnittliche Bonität am Schuldscheinmarkt beeinflussen“, warnt Sebastian Zank, Director Corporates bei Scope Ratings. „Auf Dauer droht der Charakter des Schuldscheinmarktes als Garant für erstklassige Bonitäten zu verwässern, wenn viele kleine Unternehmen den Markt dominieren.“
Im vergangenen Jahr haben Unternehmen in Deutschland insgesamt Schuldscheine nach Angaben von Thomson Reuters in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro begeben. Das sind mehr als 60 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Damit lag das Emissionsniveau zuletzt wieder ähnlich hoch wie im Jahr 2008. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: „Damals besorgten sich vor allem Großunternehmen frisches Kapital über Schuldscheine, weil über andere Finanzmarkt-Kanäle und klassische Kredite nur schwer an Geld zu kommen war“, sagt Zank. „Heute sind die durchschnittlichen Emissionsvolumina und eben auch die emittierenden Unternehmen deutlich kleiner.“
Während Schuldscheinemissionen früher in der Regel ein Volumen von mindestens mehreren hundert Millionen Euro hatten, begeben Unternehmen mittlerweile häufig Schuldscheine mit Volumina von unter 100 Millionen Euro, in einigen Fällen sogar unter 50 Millionen Euro. Ein Grund: Im vergangenen Jahr zählten mehr als 40 Prozent der Emittenten zu den kleinen und mittelgroßen Unternehmen mit weniger als einer Milliarde Euro Umsatz pro Jahr. „Das hat es früher nicht gegeben“, sagt Zank. „Die Jagd von Investoren nach Rendite öffnet die Tür zum Schuldscheinmarkt für immer mehr Unternehmen.“
Denn kleine und mittelgroße Firmen zahlen meist höhere Zinsen als große Emittenten. Während Großunternehmen mit Investment-Grade-Rating rund 150 Basispunkte Aufschlag zum risikolosen Referenzzins zahlen, rentieren Schuldscheine kleinerer Firmen bis zu 350 Basispunkte über dem Referenzsatz. „Investoren sollten sich darüber im Klaren sein, dass damit auch das Risiko steigt“, sagt Zank. „Selbst wenn ein Schuldschein eigentlich grundsätzlich eine gute Qualität signalisiert: Viele Investoren vertrauten allzu sehr auf den guten Namen des Schuldscheinmarktes, in dem drei Viertel der Emittenten nicht über ein öffentliches Rating verfügen.“
Der Finanzierungsbedraf ist gross
Kleine Unternehmen zapfen den Schuldscheinmarkt im Moment an, weil sie dort Kapital zu vergleichsweise günstigen Konditionen aufnehmen können. „Viele Emissionen sind derzeit stark überzeichnet“, beobachtet Zank. „Es kommt häufig vor, dass Unternehmen ihr Emissionsvolumen um 50 Prozent aufstocken.“ Darunter sind auch viele Neulinge, die erstmals einen Schuldschein begeben. „Es hat sich herumgesprochen, dass der Markt Neuemissionen sehr gut aufnimmt“, sagt Zank.
Der Finanzierungsbedarf ist groß: Der Markt für Unternehmensübernahmen zum Beispiel läuft derzeit auf Hochtouren, und über einen Schuldschein können Unternehmen auf einen Schlag viel Kapital für Zukäufe beschaffen. Zudem laufen aktuell viele Schuldscheine aus der Zeit der Finanzkrise und den Jahren danach aus: „Firmen können sich derzeit zu deutlich günstigeren Konditionen als damals refinanzieren“, sagt der Scope-Analyst. Weiterer Treiber: Ausländische Banken, Emittenten und Investoren entdecken den deutschen Schuldscheinmarkt und sorgen für Nachfrage. „Der Markt genießt international hohes Ansehen“, beobachtet Zank.
Der Analyst hält es durchaus für möglich, dass im Jahr 2016 ähnlich viel Kapital über neue Schuldscheine eingesammelt wird als im starken Vorjahr: „Die Vorzeichen stehen gut. Aber letztlich hängt das Volumen auch davon ab, wie viele Unternehmen Jumbo-Schuldscheinemissionen über viele hundert Millionen oder gar Milliarden Euro begeben.“ Der Jahresauftakt war in dieser Beziehung verheißungsvoll. Der Baustoffkonzern HeidelbergCement hat im Januar satte 625 Millionen Euro per Schuldschein eingesammelt – dank einer unerwartet großen Nachfrage der Investoren waren das 225 Millionen Euro mehr als ursprünglich geplant.