Die Überschuldung von Privatpersonen in Deutschland ist 2015 zum zweiten Mal in Folge, wenn auch nur leicht, angestiegen. Zum Stichtag 1. Oktober 2015 wurde für die gesamte Bundesrepublik eine Schuldnerquote von 9,92 Prozent gemessen. Damit sind weiterhin rund 6,7 Millionen Bürger über 18 Jahre überschuldet und weisen nachhaltige Zahlungsstörungen auf. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Anzahl der Schuldner um rund 44.000 Personen erhöht (+ 0,7 Prozent). Der vergleichsweise geringe Anstieg der Schuldnerquote ist auf eine spürbare Bevölkerungszunahme zurückzuführen.
Der Anstieg der Schuldnerzahlen beruht ausschließlich auf einer Zunahme der Fälle mit hoher Überschuldungsintensität (vereinfacht: juristische Sachverhalte). Ihre Zahl nahm in den letzten zwölf Monaten um rund 57.000 Fälle zu (+ 1,5 Prozent), während hingegen die Zahl der Schuldner mit geringer Überschuldungsintensität (vereinfacht: nachhaltige Zahlungsstörungen) um rund 13.000 Fälle (- 0,5 Prozent) zurückging. Somit nimmt auch 2015 die „strukturelle Überschuldung“ oder „Basisüberschuldung“ zu: Rund 3,95 Millionen Menschen sind derzeit in Deutschland in einer dauerhaften Schuldenspirale (2006 / 2015: + 549.000 Fälle).
Unterschiede in Ost- und Westdeutschland
Die Schuldnerquote liegt 2015 in den neuen Bundesländern (10,26 Prozent, ohne Berlin) zum vierten Mal in Folge (wie auch bis 2008) über dem Vergleichswert im Westen (9,86 Prozent). Insgesamt sind in diesem Jahr im Westen rund 5,62 Millionen Personen als überschuldet zu betrachten, im Osten Deutschlands sind es wie im Vorjahr rund 1,10 Millionen Personen.
Alles in allem hat sich 2015 der Anstiegstrend im Osten stärker verlangsamt als im Westen Deutschlands. So ist der (prozentuale) Anstieg der Fälle mit hoher Überschuldungsintensität im Westen (+ 1,5 Prozent) stärker ausgeprägt ist als im Osten (+ 1,1 Prozent). Zudem nimmt in diesem Jahr auch die Zahl der Fälle mit geringer Überschuldungsintensität im Osten (- 0,9 Prozent) stärker ab als im Westen (- 0,4 Prozent). Folglich fällt auch die absolute Zunahme der Überschuldungsfälle im Osten Deutschlands (+ 3.000 Fälle) deutlich schwächer aus als im Westen (+ 41.000 Fälle) im vergangenen Jahr.
Große Spannbreite unter den Bundesländern
Die derzeit insgesamt eher heterogene Überschuldungsentwicklung spiegelt sich im Vergleich der Schuldnerzahlen zum Vorjahr nach Bundesländern. In immerhin acht Bundesländern ist ein Rückgang der Überschuldungsfälle, in sieben Bundesländern ist ein Anstieg zu verzeichnen und in einem Bundesland bleibt die Zahl der Schuldner nahezu konstant. Die Spannweite reicht von einem Plus von 18.000 Fällen in Bayern bis hin zu marginalen Veränderungen der Schuldnerzahlen im Saarland. Die Abweichungen der Schuldnerquoten kommen im Vergleich zum Vorjahr auf einen Anstieg von + 0,34 Punkten in Sachsen bis hin zu einem Rückgang von – 0,24 Punkten in Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Schleswig-Holstein.
Bayern (7,12 Prozent; + 0,11 Punkte) und Baden-Württemberg (8,09 Prozent; + 0,07) führen trotz über-durchschnittlicher Anstiege weiterhin das Positiv-Ranking der Bundesländer an. Thüringen (9,08 Prozent; + 0,02) liegt wie seit 2013 auf Rang drei. Sachsen verschlechtert sich mit 9,66 Prozent (+ 0,34) zum vierten Mal in Folge deutlich und verbleibt auf Rang vier. Rheinland-Pfalz (9,89 Prozent; – 0,11) verdrängt das Land Hessen (10,00 Prozent; + 0,04) nach zwei Jahren wieder von Rang fünf.
Auch Überschuldung wird weiblicher
Die Zahl überschuldeter Frauen hat sich in den letzten zwölf Monaten um rund 0,6 Prozent (+ 19.000 Überschuldungsfälle; 2004 / 2015: + 23,3 Prozent) und die der männlichen Schuldner um 0,7 Prozent erhöht (+ 25.000 Fälle; 2004 / 2015: – 6,9 Prozent). 2015 können somit rund 7,39 Prozent der deutschen Frauen über 18 Jahren (2014: 7,35 Prozent) als überschuldet und zumindest nachhaltig zahlungsgestört gelten. Bei Männern sind dies aktuell wie im Vorjahr 12,61 Prozent (2013: 12,55 Prozent).
Das Thema „Junge Überschuldung“ bleibt virulent, zeigt aber einen weiter rückläufigen Trend. So ist die Zahl junger Schuldner in Deutschland (unter 30 Jahre) 2015 um ca. 60.000 Fälle auf rund 1,69 Millionen Schuldner und somit stärker als im Vorjahr zurückgegangen (- 3,4 Prozent). Die Schuldnerquote beträgt hier 14,86 Prozent, wobei der Rückgang auch bei den jungen Schuldnern stärker auf einer Abnahme der Fälle mit nachhaltigen Zahlungsstörungen („geringe Überschuldungsintensität“) zurückzuführen ist.
Überschuldung im Alter führt zu Armut
Im Gegensatz dazu ist die Schuldnerzahl und Schuldnerquote in der ältesten Schuldnergruppe in diesem Jahr weiter angestiegen. Die Schuldnerquote beträgt hier rund 1,16 Prozent, wobei der Anstieg stärker auf eine Zunahme der Fälle mit geringer Überschuldungsintensität („nachhaltige Zahlungsstörungen“) zurückzuführen ist. Derzeit müssen rund 150.000 Menschen in Deutschland ab 70 Jahren als überschuldet eingestuft werden (+ 16.000 Fälle). Wie rapide aber die Überschuldung im Alter zunimmt, zeigt der Zuwachs alleine in den letzten beiden Jahren. Bei den über 70-Jährigen beträgt er 35,4 Prozent, bei den 60- bis 69-Jährigen 12,4 Prozent.
Das aktuelle Sonderthema befasst sich mit dem Trend der zunehmenden Altersüberschuldung und vergleicht die Daten zur regionalen Überschuldungsentwicklung auf Kreis- und Stadtebene mit den entsprechenden Kennziffern zur Armutsgefährdung. Armut und Überschuldung hängen eng zusammen. Einerseits nähern sich die Konsummuster der Verbraucher in Ost und West an (besonders bei jungen Verbrauchern und in urbanen Räumen). Andererseits unterscheiden sich die Problemlösungsmuster zwischen Ost und West, da im Osten Deutschlands, insbesondere ältere Menschen im ländlichen Raum, gezielt Konsumverzicht zum Schuldenabbau und zur Überschuldungsprävention einsetzen. Anders ausgedrückt, die Personen in Ostdeutschland versuchen trotz hoher Armutsquoten, ihre Überschuldung abzubauen oder eine Überschuldung zu vermeiden.
Quelle: Verband der Vereine Creditreform