Claudia Zimmermann
Ob der Zahlungsdienstleister Wirecard ein Compliance und Bilanzproblem in Singapur hat, diese Frage ist bis heute nicht beantwortet. Die Financial Times hatte am 30. Januar in einem Beitrag über Bilanzunregelmäßigkeiten in der Wirecard Filiale in Singapur berichtet, ausserdem berichtete die Financial Times über eine Durchsuchung der Geschäftsräume in Singapur. Daraufhin brach der Aktienkurs von Wirecard ein, verlor zeitweise fast vierzig Prozent an Wert. Wirecard hat angekündigt, bis zum 4. April einen Prüfbericht der Compliance Kanzlei Rajah und Tann vorzulegen. Auf diesen Bericht wartet der Markt sehnsüchtig. In der Zwischenzeit hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eine Allgemeinverfügung zum Verbot der Begründung und der Vergrößerung von Netto-Leerverkaufspositionen in Aktien der Wirecard AG erlassen. Es ist das erste Mal, dass die BaFin einen solches Verbot hinsichtlich einer einzigen Aktie erlässt. Die Begründung ist folgende:
In der derzeitigen Situation besteht die Gefahr, dass ein Einwirken auf die Kurse der Aktie der Wirecard AG durch das Eingehen von NLP bwz. die Erweiterung bestehender NLP, aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Unternehmens, exzessive Preisbewegungen der Aktie der Wirecard AG verursacht. Diese könnten durch ihre trendverstärkende Wirkung den Verlust des Marktvertrauens in Deutschland, insbesondere hinsichtlich der Preisbildung an den Märkten, bewirken. Vorliegend sind ungünstige Entwicklungen eingetreten, die eine ernstzunehmende Bedrohung für das Marktvertrauen darstellen können. Diese ungünstigen Entwicklungen bestehen in der stetig gewachsenen NLP der Wirecard AG. Diese Erhöhung könnte einen erheblichen Verkaufsdruck bewirken. Dies stellt eine nicht unerhebliche Gefahr dar, eine erneute erhebliche Abwärtsspirale des Kurses zu verursachen.
Die Maßnahme ist erforderlich, um der Bedrohung zu begegnen, denn vor dem geschilderten Hintergrund ist es notwendig, das bestehende Verbot ungedeckter Leerverkäufe nach Artikel 12 EU–LeerverkaufsVO in Bezug auf diese Aktien temporär zu verschärfen, indem es auf die Begründung von NLP sowie die Erhöhung von bestehenden NLP ausgedehnt wird, ohne dass eine Ausnahme für untertägige Geschäfte besteht. Nur durch ein solches erweitertes Verbot wird sichergestellt, dass eine negative Einwirkung auf die Kurse der Aktie der Wirecard AG durch das Eingehen von NLP bzw. die Erweiterung bestehender NLP in der bestehenden Marktsituation unterbleibt und diese nicht aufgrund solcher Geschäfte weiter verschlechtert wird. Dem entsprechend muss das Verbot auch für alle Personen gelten, die in der Union oder einem Drittland ansässig oder niedergelassen sind, um diesen Zweck zu erreichen.
Die Effizienz der Finanzmärkte wird im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, denn das Verbot beschränkt sich lediglich auf die Wirecard AG und verbietet gedeckte Leerverkäufe nicht komplett, sondern nur für den Fall, dass sie in einer Gesamtbetrachtung zu einer Vergrößerung der NLP führen. Zudem ist eine Ausnahme für Market-Maker-Tätigkeiten vorgesehen.
Der Erlass der Maßnahme erfolgt im pflichtgemäßen Ermessen, da die vorliegende Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen ist. Die Maßnahme ist erforderlich, um der Bedrohung zu begegnen, und die Effizienz der Finanzmärkte wird im Vergleich zum Nutzen der Maßnahme nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Denn der Gefahr aufgrund der Short Attacken kann nur durch das Verbot ursächlich begegnet werden. Zudem ist die Maßnahme auch erforderlich, da kein milderes, gleichermaßen wirksames Mittel ersichtlich ist. Insbesondere scheiden Maßnahmen nach Artikel 23 EU–LeerverkaufsVO aus, da diese aufgrund ihrer Kurzfristigkeit nicht in gleicher Weise nachhaltig den Markt beruhigen könnten. Den berechtigten Interessen der Handelsteilnehmer an der Nutzung von Sicherungsinstrumenten wird durch die Ausnahmeregelung für die Market-Maker-Tätigkeiten ausreichend Rechnung getragen, so dass die Beschränkungen des Handels mit Finanzinstrumenten auf das erforderliche Maß beschränkt bleiben. Es gibt auch keine Anhaltspunkte, dass das Verbot unverhältnismäßig im engeren Sinn sein könnte, insbesondere bestehen auch weiterhin verschiedene Möglichkeiten des Handels in der Aktie der Wirecard AG und den darauf bezogenen Derivaten.
Auch die Einräumung eines Widerrufsvorbehalts ist erforderlich und geeignet. Der Widerrufsvorbehalt ermöglicht es der BaFin, flexibel auf aktuelle Entwicklungen während des Geltungszeitraumes der Verfügung zu reagieren. Insbesondere wird es ermöglicht, das Verbot im Falle einer weitgehenden Beruhigung der Märkte zeitnah aufheben zu können.
Die gewählte Dauer der Maßnahme ermöglicht es den Marktteilnehmern, ihre Handelsaktivitäten über einen angemessenen Zeitraum mit hinreichender Sicherheit zu planen, ermöglicht es gleichfalls dem Markt sich zu beruhigen und den Sachverhalt weiter aufzuklären und einzuordnen.“