Unter den internationalen Investmentexperten macht sich etwas Optimismus in Bezug auf die Ära nach dem Brexit breit. Das geht aus der aktuellen Brexit-Studie des CFA Institutes, dem internationalen Verband für die Investmentbranche, hervor. Die Studie analysiert die aktuelle Stimmungslage bei Investmentexperten bezüglich der zu erwartenden Auswirkungen des Brexits auf die Branche. Neben optimistischeren Tönen, werden aber auch Herausforderungen für das britische Investmentmanagement erwartet.
In der diesjährigen Umfrage zeigt sich eine gewisse Zuversicht unter den Marktteilnehmern aus der Investmentbranche, dass die Brexit-Verhandlungen letztendlich zu einem Handelsabkommen führen werden. Weltweit erwartet fast die Hälfte (49 Prozent) der befragten Investmentexperten, dass die Gespräche entweder in ein umfassendes Handelsabkommen für Waren und Dienstleistungen (25 Prozent) oder zumindest für das reine Warengeschäft (24 Prozent) münden werden.
Angeführt von China, wo 52 Prozent der Umfrageteilnehmer davon ausgehen, dass ein umfassendes Handelsabkommen geschlossen wird, geben sich die Marktteilnehmer außerhalb der EU besonders optimistisch. Im Vereinigten Königreich gehen hingegen nur 17 Prozent der Befragten vom Abschluss eines umfassenden Handelsabkommens mit der EU aus, 23 Prozent erwarten eine Beschränkung auf Handelsgüter. In der Schweiz und in Deutschland gilt unter den Befragten ein harter Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU als wahrscheinlichstes Szenario (35 beziehungsweise 30 Prozent).
Im Vergleich zu den Erhebungen der Vorjahre ist bei der Wettbewerbsfähigkeit des britischen Marktes eine leicht verbesserte Prognose von Seiten der britischen Investment-Profis zu verzeichnen. Bei der diesjährigen Umfrage waren etwas weniger Teilnehmer der Ansicht, dass der Brexit eine Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit ihres Heimatmarktes zur Folge hat (68 Prozent, gegenüber 70 Prozent im Jahr 2017 und 74 Prozent im Juli 2016).
Dennoch erwarten 64 Prozent der britischen Befragten, dass ein Brexit die Attraktivität und Anziehungskraft ihres Unternehmens für neue Mitarbeiter negativ beeinflussen wird. 67 Prozent erwarten darüber hinaus, dass ihre Unternehmen ihre Präsenz im Vereinigten Königreich reduzieren werden. Bei den Befragten aus der EU (ohne Großbritannien) liegt dieser Wert mit 76 Prozent noch höher. Die Umfrage zeigt zudem, dass 80 Prozent der Befragten weltweit davon ausgehen, dass der Brexit die Performance britischer Investments schwächen wird; innerhalb der EU (ohne Großbritannien) sind es sogar 90 Prozent.
Was den finanzaufsichtsrechtlichen Rahmen angeht, erwarten 41 Prozent aller Befragten, dass Großbritannien die gemeinsamen regulatorischen Standards mit der EU beibehalten wird, 34 Prozent (Deutschland 48 Prozent) befürchten ein Ausscheren. Die Briten selbst sind mit 51 Prozent etwas zuversichtlicher, dass ihr Land dem EU-Regulierungsrahmen treu bleiben könnte.
Die mögliche Einschränkung von Auslagerungen im Asset Management (beispielsweise bei Domizilierung von Fonds in der EU und Investmententscheidungen in UK oder Outsourcing des Portfoliomanagements) wird überwiegend kritisch gesehen: Insbesondere Befragte aus China (52 Prozent) und dem Vereinigten Königreich (49 Prozent) sind der Ansicht, dass sich Beschränkungen dahingehend negativ auf die Ergebnisse der Investoren auswirken werden.
Frankfurt bleibt Spitzenreiter im Standortrennen
Nach den Umfrageergebnissen ist Frankfurt im Wettbewerb der Finanzstandorte der größte Brexit-Profiteur, gefolgt von Paris, Dublin, Luxemburg und Amsterdam. Paris hat jedoch im Vorjahresvergleich am stärksten in der Wahrnehmung der befragten Experten gewonnen. Die französische Hauptstadt stieg vom vierten auf den geteilten zweiten Platz, gemeinsam mit Dublin, auf. Amsterdam schaffte den Sprung in die Top 5 der Rangliste und verdrängt damit New York auf den sechsten Platz.
„Unsere Studie zeigt ein höchst vielfältiges Meinungsbild von Investmentexperten weltweit und zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass viele der Befragten kein besonders emotionales Verhältnis zur Brexit-Entscheidung haben“, so Gary Baker, CFA, Managing Director des CFA Institutes für die Region EMEA. „Zwar sehen wir einige Anzeichen von Optimismus, die Meinungen der Mitglieder des CFA-Instituts variieren jedoch deutlich von Markt zu Markt und es herrscht weiterhin große Unsicherheit mit Blick auf den Ausgang der Verhandlungen.“
Der Anteil der internationalen Befragten, die von einer Stärkung der EU ausgehen hat deutlich zugelegt – 34 Prozent gegenüber 13 Prozent im Jahr 2017. Weitaus weniger Befragte erwarten zudem, dass nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs weitere EU-Austritte folgen werden (30 Prozent gegenüber 59 Prozent). Darüber hinaus befürchten weniger Marktteilnehmer, dass der Brexit die Fragmentierung des Vereinigten Königreichs (41 Prozent im Vergleich zu 53 Prozent im Vorjahr) vorantreiben wird. Die Zweifel daran, dass es überhaupt zu einem Brexit kommen wird, sind derweil gestiegen: 15 Prozent der Befragten halten es für wahrscheinlich, dass es keinen Brexit geben wird. Im Jahr 2017 waren es noch fünf Prozent.
„Der aktuelle CFA Institute Brexit Survey belegt, dass die Diskussion rund um das Thema nicht mehr so aufgeheizt ist wie noch in den Jahren zuvor“, erklärt Susan Spinner, CFA, CEO der CFA Society Germany. „Dennoch zeigen die jüngsten Ergebnisse eine deutliche Besorgnis mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit des britischen Finanzplatzes. Angesichts der Ungewissheit darüber, wie sich die Verhandlungen über ein mögliches Handelsabkommen entwickeln werden, erwarten immer mehr Befragte, die für Unternehmen mit starker britischer Präsenz tätig sind, dass diese Präsenz abnehmen wird. Das äußert sich auch im internationalen Post-Brexit-Standortrennen, wo Frankfurt weiterhin vorne liegt.“