Das Risikoprofil ist die Grundlage jeder Finanzplanung beziehungsweise -beratung. Ob eher konservativ, ausgewogen oder gewinnorientiert – passieren beim Erstellen des Risikoprofils Fehler, bleibt der Anleger unter seinen Möglichkeiten oder geht ungewollt hohe Risiken ein.
„Leider wird den Zielen und Bedürfnissen, aber auch den aktuellen Verpflichtungen des Kunden, in der Beratung oft nicht ausreichend Beachtung geschenkt“, bemängelt Professor Dr. Rolf Tilmes, Vorstandsvorsitzender des Financial Planning Standards Board Deutschland (FPSB). „Viele Risikoprofile werden deshalb fehlerhaft erstellt.“ Vielfach steht anstelle einer zeitintensiven und unabhängigen Beratung die schnelle Vermittlung von Produkten im Vordergrund.
Der kräftige Kursrutsch Anfang Februar hat vielen Anlegern deutlich vor Augen geführt, dass sie bisweilen beim Vermögensaufbau auch plötzliche Rücksetzer aushalten müssen. Allerdings ist die Verlusttoleranz unterschiedlich groß. Die Anleger unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Risikobereitschaft und der Renditeerwartungen zum Teil beträchtlich. „Diesen unterschiedlichen Wünschen und Einstellungen muss eine qualifizierte Anlageberatung Rechnung tragen“, verdeutlicht FPSB-Vorstand Tilmes.
Ein entscheidender Schritt ist dabei die Erstellung eines individuellen Risikoprofils anhand einer persönlichen Befragung des Kunden. Dieses Profil, welches durch die Anwendung von speziellen Fragebögen verfeinert wird, dient Beratern als wichtige Grundlage, um die emotionale Risikotragfähigkeit ihrer Kunden zu ermitteln und das Portfolio entsprechend anzupassen. Das bedeutet, dass die einem jeden Portfolio innewohnenden Schwankungsrisiken auf das Maß eingestellt werden, die für den Kunden tolerierbar sind.
Die Praxis zeigt, dass viele Anleger ihr tatsächliches Risikoprofil nur sehr ungenau einschätzen können – insbesondere, wenn es nicht in Abhängigkeit zu den einzelnen Anlagezielen betrachtet wird und benötigen aus diesem Grund professionelle Hilfe.
„Die finanzielle Situation im persönlichen Gespräch zu hinterfragen, gemeinsam über Lösungen zu sprechen, wieder ein klares Bild zu bekommen – all das findet der Anleger bei qualifizierten Finanzplanern“, erläutert Tilmes, der neben seiner Vorstandstätigkeit auch wissenschaftlicher Leiter des PFI Private Finance Institute / EBS Finanzakademie der EBS Business School, Oestrich-Winkel, ist. Ein Robo Advisor zum Beispiel könne dies nicht leisten.
„Es gibt zudem immer wieder Fälle, in denen bei der Entwicklung des Anlagevorschlags die individuelle Risikoeinstellung von Anlegern falsch eingeschätzt wird und ungeeignete Vermögensstrukturen empfohlen werden“, so Tilmes. „Manchmal auch nur, weil der Anleger die Fragen und Informationen nicht versteht oder anders interpretiert als das Programm es vorsieht.“
Hinzu komme: Das Temperament von Anlegern ist unterschiedlich ausgeprägt, so dass mehrere Wege zu gleichen finanziellen Zielen führen. Außerdem könnten Anleger mehrere konkurrierende finanzielle Ziele haben, die er unterschiedlich schnell erreichen möchte. Um das Risikoprofil wirklich individuell korrekt zu ermitteln, müssten also sämtliche Ziele des Anlegers berücksichtigt und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden.
„Risikoprofile sind dynamisch und häufig instabil“, betont Prof. Tilmes. Grundlegende Lebensereignisse wie Partnerschaft, Familiengründung, Scheidung, Krankheit oder Ruhestand, aber auch das berufliche Umfeld können das Risikoprofil nachhaltig verändern. Es empfiehlt sich daher, das aktuelle Risikoprofil nicht nur bei Neuanlagen zu beachten. Auch Anlagen im Bestand sollten regelmäßig überprüft werden, ob sie noch dem jeweils geltenden Risikoprofil entsprechen.
Quelle: FPSB Deutschland e.V.