Oliver Putz
Die Zauberwörter User Experience, Nutzerzentrierung, Mobile First oder Customer Journey sind aktuell in aller Munde. Um dabei das Gespür für das machbare und gleichzeitig innovative zu bekommen, war ein Besuch des UX-Congress 2017 hilfreich. Der UX-Congress 2017 war in bestimmten Punkten richtungsweisend. Das zeigen die Auszüge aus einigen Vorträgen mit besonders interessanten Ansätzen: Fehlerkultur: Hype oder existenzelle Notwendigkeit ? Ein Vortrag von Daniel Putsche candylabs.
Ein Vortrag bei dem mir vor allem eines in Erinnerung geblieben ist – die transparente Fehlerkultur in der Luftfahrt – dort kann man sich problemlos die Todesfälle je Fluglinie ansehen. Versucht man dies im Vergleich bei Krankenhäusern, so bekommt man nur sehr wenige Informationen. Die Konsequenz daraus ist, kein Nutzer hat die Chance ein Krankenhaus auszuwählen, bei dem die Todesrate sehr gering ist – bei Fluggesellschaften ist dies möglich. Durch diese Transparenz können Nutzer selbst entscheiden wo die Qualität augenscheinlich besonders gut ist.
Dies wird dadurch erreicht, dass jede Airline sich einer kontinuierlichen Prozessverbesserung unterwirft, damit sind die Prozesse bei den Airlines sehr gut strukturiert. Ich habe mir nur vorgestellt was wäre, wenn es eine „BlackBox“ im Operationssaal gäbe und im Bedarfsfall eine dritte neutrale Instanz jede Operation prüfen könnte ? Bei Flugzeugen und deren Piloten ist dies Standard.
Was sehr einfach als aktuelle Statistik zu bekommen ist, ist die Verweildauer in Krankenhäusern und die Kosten dafür. Insofern sind wir stark an einer Prozesseffizienz interessiert um die steigenden Kosten in den Griff zu bekommen. Aber das ist ein anderes Thema…
Was bedeutet das für die Fehlerkultur ? Die Toleranz dazu fängt im Management ganz oben an und muss auf alle Strukturen generisch übertragen werden, nur dann werden Prozesse optimiert ohne einen „Schuldigen“ zu suchen. Vor allem ist eine offene Transparenz zu Fehlerfällen notwendig. Dies gilt es kulturell in Unternehmen als etwas gutes vorzuleben um daraus zu lernen. Das dies systematisch anzugehen ist, hat Daniel Putsche in seinem Vortrag deutlich gemacht. Losgelöst davon können und werden vor allem bei Finanzidienstleistern die regulatorischen Vorgaben für eine Transparenz sorgen.
Mobile First? Customer First! Ein Vortrag von Bastian Weber m-pathy
Ein für mich richtungsweisender Vortrag. Ich habe schon einiges vom Moment of Truth gelesen und auch bei Customer Journeys auf diesen wichtigen Punkt verwiesen. Eine sehr gute Zusammenfassung aller „Moments of Truth“ gibt es im Digitalwiki – Moments of Truth.
Es gibt für mich auf Basis des Vortrages folgende Erkenntnisse:
* Eine Webseite technisch responsiv umzusetzen hat alleine nicht viel mit Mobile First zu tun.
* Wer Mobile First erreichen will muss dies mit Customer First in Verbindung bringen.
* Das Nutzungsverhalten auf mobilen Endgeräten muss einen Einfluss in die Gestaltung von Text-Bild-Video Material nach sich ziehen,
* Besondere Bedeutung bekommt deshalb dem Zero Moment of Truth und in gleicher Bedeutung den entstehenden Micro-Moments zu,
* Der Context der Bedienung ist zu unterscheiden. Selbst bei Smart-Phones und Tablets gibt es signifikante Unterschiede im Nutzerverhalten,
* Der Einfluss von Nutzungssituationen und den in diesem Moment gegebenen Einflüssen von Ort und Situation beeinflussen erheblich die Entscheidungen von Nutzern.
Im Ergebnis bedeutet dies:
* Eine App muss vom ersten Moment an genauso gut tracken wie eine Webseite.
* Lernen aus dem eTracking und vor allem die Nutzungssituationen dabei mit einbeziehen.
* Ausprobieren welche Werbemittel in welchem Moment of Truth den Erfolg bringen.
* Besondere Beachtung gilt es dem neuen Gebiet der Micro-Moments zu schenken – die mobile Nutzung im Zusammenhang mit Micro-Moments verändert das Nutzungsverhalten in neue Konversionsmuster.
Kleine Geräte mit grosser Macht – wie die mobile Page zum Wachstumsfaktor wird! Ein Vortrag von Dennis Herzberger konversionsKraft – Web Arts AG
Und noch ein herausragender Vortrag der mich zu einigen wichtigen Punkten bei den nächsten mobilen Interface Konzepten inspiriert hat. Da man ja selbst in der Nutzung eines Smartphones geübt ist, fallen einem manche Details gar nicht mehr so auf. Bein schönes Beispiel sind responsive Webseiten, deren Navigations-Bar links oben ist. Der Versuch die Navigation mit dem Daumen zu erreichen scheitert einfach daran, dass bei den meisten Menschen der Daumen schlicht zu kurz ist…
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt sind die Motive und Erwartungen des Smartphone Nutzers. In diesem Moment stellt sich auch wieder ein Bezug zu dem Micro-Moments her – denn der Nutzer wird abhängig von der emotionalen Situation seine Entscheidungen treffen. Hilfreich dazu sind die Ausführungen auch mit dem Bezug zur Limbic Map. Die Nutzung der eigenen App auf eine Limbic-Map zu projezieren ist eine sehr spannende Projektaufgabe.
Aber eine mobile Page hat noch viele weitere Faktoren die bei einer Untersuchung der Potenziale der Seite erforderlich sind. Hierzu hat Dennis Herzberger viele weitere praktische Tipps gegeben. Hier ein Auszug:
* Auf welche Geräte fokussiet man sich?
* Auf welche Bildschirmauflösung legt man besonder viel Wert in der Umsetzung?
* Kann man technische Probleme erkennen bei hohen Absprungraten bei bestimmten Geräten?
* Welche Geräte weisen eine schlechte Seitenperformance auf?
Am Ende wird man sich genau überlegen müssen, welche KPIs sind für meine Customer Journey auf der mobilen Webseite die Erfolgsbringer.
Mein Fazit
* Eine mobile Webseite zu haben ist erst der Start sich mit dieser neuen Nutzungswelt auseinanderzusetzen.
* Konversionsoptimierungen unterliegen sowohl technischen und gleichzeitig auch fachlichen Herausforderungen (ein Daumen ist nicht so lang wie ein Display).
* Marketing Aktionen im mobilen Bereich haben anderen Herausforderungen als auf dem Desktop PC.
* Micro Moments können über den Erfolg einer Aktion entscheiden.
* Redakteure müssen diese neuen Paradigmen erst erlernen und ausprobieren.
* Der Trend zu einer eigenen App wird stärker werden für alle Unternehmen die Bestandskunden haben und diese mit einem besonderen Service versorgen wollen.
* Eine eigene App muss vom ersten Moment an mit einer perfekten User Experience ausgestattet sein – dazu sollte man auf jeden Fall Experten an Bord holen.
Intensive und wirkungsvolle Ideen für die Kundenbindung
16 Dezember 2017