35 Prozent der Versicherungsunternehmen beziehen Kriterien der Nachhaltigen Geldanlage (Responsible Investment, RI) oder ESG-Kriterien (ESG steht für Environmental, Social and Governance, also die Umwelt, die Gesellschaft oder gute Unternehmensführung betreffend) ein, wenn sie Anlageentscheidungen zur Portfoliostrukturierung treffen. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage von AXA Investment Managers (AXA IM) unter 122 Versicherungs-CIOs und anderen Entscheidungsträgern der Branche in Deutschland, Frankreich und Großbritannien.
Die langfristige Entwicklung deutet darauf hin, dass der Megatrend zu sozial verantwortlichen Investments in den Geschäftsmodellen der Versicherungsbranche immer stärker berücksichtigt wird. Dennoch wiesen 53 Prozent der Umfrageteilnehmer darauf hin, dass der wichtigste Treiber hinter dem stärkeren Einsatz von RI und ESG letztlich einfach die immer striktere Regulierung der Branche ist. Als zweitwichtigster Faktor kristallisierte sich die Verbindung zwischen RI und Performance heraus – sie wurde von 40 Prozent der Befragten genannt. 31 Prozent wiesen auf den Druck hin, der sich daraus ergibt, dass andere Unternehmen der Branche ESG- oder RI-Kriterien in ihre Geldanlage integrieren.
„In einer Branche, die stärker reguliert ist als die meisten anderen, wäre es nachlässig von den Versicherern, einfach nur auf regulatorische Vorgaben zu reagieren“, erklärt Matt Christensen, Head of Responsible Investment bei AXA IM. „Mit einer proaktiven Herangehensweise an RI-Themen können sich vorausschauend agierende Unternehmen für die Bewältigung des unvermeidlichen Wandels positionieren und ihre eigene Nachhaltigkeit sichern.“
Unternehmen, die hierbei vorangingen, hätten nicht nur den Vorteil, langfristige Trends zu adressieren, sie könnten auch eher Einfluss auf die zunehmend belastende Regulierungs- und Reporting-Praxis nehmen, so Christensen weiter: „Wir sind der Ansicht, dass die Ergebnisse der Umfrage verdeutlichen, wie wichtig es für Versicherer ist, sich dieses wichtigen Themas ernsthafter anzunehmen als bisher.“
Versicherungen fingen letztlich durch die Art, wie sie Risiken verteilten und Prämien kalkulierten, die Essenz der Nachhaltigkeitsidee ein – dass alle Stakeholder einen Beitrag leisten müssten, um fortwährende Stabilität und Prosperität für alle zu sichern. „Angesichts von wissenschaftlichen Belegen für die Gefahren des Klimawandels, den Verlust von Biodiversität und den Abbau lebenswichtiger natürlicher Ressourcen, spielt die Versicherungsbranche eine immer wichtigere Rolle, während ihr Geschäft zunehmend komplexer wird“, sagt Christensen.
Die Studie zeigt zudem, dass 30 Prozent der Befragten auf die Frage, was sie in Bezug auf RI tun, antworteten, sie forderten von ihren Asset Managern aktives Handeln. Dennoch investieren lediglich 18 Prozent in Fonds oder Mandate, die systematisch nicht-RI/ESG-konforme Instrumente ausschließen. zehn Prozent der Befragten aus Großbritannien, elf Prozent der französischen Versicherungs-Entscheider und sogar 14 Prozent der deutschen Teilnehmer legen bisher gar nicht sozial verantwortlich an, denken aber darüber nach, solche Strategien zu implementieren.
„Die Versicherer schenken den Themen RI und ESG allmählich größere Aufmerksamkeit“, sagt Marie Niemczyk, Director, Insurance Strategy and Development bei AXA IM. Davon zeugt auch die Tatsache, dass 38 Prozent der Teilnehmer sagen, sie planten, ihr Engagement in RI/ESG-Strategien in diesem Jahr auszubauen. „Passend dazu stellen wir fest, dass es signifikant häufiger Ausschreibungen gibt, die auch RI-Anforderungen enthalten“, erklärt Niemczyk. „Obwohl Versicherer nach wie vor hauptsächlich auf die Performance ihrer Investments schauen, glauben wir, dass sie sich über das Potenzial nachhaltiger Investments in Bezug auf Risiko und Rendite im Klaren sind. Dennoch haben viele ihre Erkenntnisse noch nicht in die Tat umgesetzt.“
Größere Versicherer engagieren sich bereits häufiger in RI und ESG
Die Studie verdeutlicht allerdings, dass dies insbesondere für größere Versicherungsunternehmen, deren Reputation besonders von den Vorteilen nachhaltiger Investments profitieren kann, nur bedingt gilt: 52 Prozent investieren in Fonds oder Mandate, die RI/ESG-Kriterien einbeziehen. 40 Prozent haben gemeinsam mit ihren Asset Managern individuelle RI-/ESG-Mandate entwickelt. Und 39 Prozent der größeren Versicherungen gaben an, dass die Auswirkungen des RI-/ESG-Megatrends auf ihre Geschäftsmodelle ein wesentlicher Antrieb sind.
„Wir verstehen, dass die mit der Integration von ESG verbundenen Herausforderungen für mittlere und kleinere Versicherer schwieriger zu bewältigen sind“, erklärt Niemczyk. „Auf ESG zu setzen, bedingt eine Veränderung der Unternehmenskultur und ist deshalb auch organisatorisch ein großer Schritt. Dennoch können sich Versicherer darauf vorbereiten, die Gelegenheiten zu ergreifen, die die Zukunft bietet, wenn sie gemeinsam mit ihrem Asset Manager die Risiken von heute verstehen und managen.“
Die Studie zeigt, dass der Ausbau des RI/ESG-Engagements in allen beteiligten Ländern ein wichtiges Thema ist. Dies gilt insbesondere für Frankreich, wo 44 Prozent der Befragten planen, ihre RI/ESG-Allokation zu erhöhen. Aber auch in Deutschland (39 Prozent) und Großbritannien (31 Prozent) gibt es eine Initiative in diese Richtung. Zugleich plant niemand, sein Engagement zurückzufahren.
„Entscheidungen über nachhaltige Investments werden in Europa vor allem durch regulatorische Anforderungen geprägt“, kommentiert Franz Wenzel, Anlagestratege für institutionelle Kunden bei AXA IM. „Zugleich setzt sich auch die Erkenntnis immer mehr durch, dass ESG-Faktoren und langfristige Investmentrisiken durchaus ähnlicher Natur sein können.“
Ein Teil der Herausforderung bei der Integration von ESG-Kriterien sei sicherzustellen, dass Investoren dadurch nicht auf Rendite verzichten müssten. „Die Partnerschaft mit einem Asset Manager, der in der Lage ist Investmentlösungen zu entwickeln, die ESG-Kriterien einbeziehen, Portfolios für die Solvenzkapitalanforderungen von Solvency II optimieren kann und zugleich auf die Reportingbedürfnisse von Versicherern eingeht, wird ein Schlüssel dazu sein, den Appetit der Branche auf RI-Strategien zu erhöhen“, so Wenzel.
Auch abseits der Vorgaben von Regulierungsbehörden, hätten einige Versicherer begonnen, den Einfluss von ESG-Aspekten auf ihre Geschäftsmodelle einer Top-Down-Betrachtung zu unterziehen und dabei etwa demografische Trends, Gesundheitsrisiken oder Unternehmensaktivitäten einzubeziehen, so Wenzel weiter. „Responsible Investments im alternativen Bereich, die bei Versicherern populär sind, haben sich vor allem durch Green Bonds, Investments in Real Assets und Infrastrukturdarlehen entwickelt. Wir sehen außerdem ein wachsendes Interesse an Impact Investing, das sich auf Investments in Unternehmen, Organisationen oder Fonds bezieht, deren Ziel es ist, eine messbare Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt zu erzielen und dabei Rendite für Investoren zu erwirtschaften. Dabei geht es meist um Microfinance, das Gesundheitswesen oder Bildung.“