Der wachsende Kosten- und Compliance-Druck lässt in der Kreditwirtschaft kaum noch Spielraum für individuelle Ablaufgestaltungen. An der Auslagerung und Automatisierung von Prozessen, die nicht unmittelbar zum Kerngeschäft gehören, führt künftig kein Weg mehr vorbei. Damit stimmen heute fast alle Geldhäuser in Deutschland und Österreich überein. Allerdings gehen die meisten von ihnen noch sehr zögerlich mit dem Thema Outsourcing um – wie der aktuelle Branchenkompass Banking von Sopra Steria Consulting zeigt.
Individuelle Prozesse sind in der Finanzwirtschaft ein Auslaufmodell. Denn nur, wenn Abläufe und Verfahren branchenweit standardisiert sind, lassen sie sich in einer gemeinschaftlich genutzten Softwareumgebung eines externen Outsourcing-Providers abbilden. Auch für den Einsatz algorithmischer Lösungen sind digitale Standardprozesse eine Grundbedingung.
Hinzu kommt die anhaltende Compliance-Problematik: Laut einer aktuellen Umfrage für den Branchenkompass Banking 2016 von Sopra Steria Consulting gehen inzwischen 97 Prozent aller deutschen und österreichischen Kreditinstitute davon aus, dass die wachsenden regulatorischen Anforderungen zu einer verstärkten IT- und Prozessstandardisierung führen werden. Das sind vier Prozentpunkte mehr als vor vier Jahren – entsprechend günstiger gestalten sich heute die Voraussetzungen für künftige Outsourcing-Projekte.
Noch hält sich die Zahl der ausgelagerten Prozesse allerdings in Grenzen. Doch planen derzeit 63 Prozent der befragten Häuser neue Outsourcing-Initiativen – ein satter Anstieg um 20 Prozentpunkte gegenüber dem Branchenkompass Banking 2014. Inhaltlich teilen sich der Zahlungsverkehr sowie das Postmanagement und die Dokumentenlogistik mit jeweils 29 Prozent die Spitzenposition in der aktuellen Auslagerungsagenda der Finanzwirtschaft. Auf Platz Zwei und Drei folgen der Einkauf und das Wertpapiergeschäft mit 18 beziehungsweise 16 Prozent; beide Werte haben sich seit 2014 fast vervierfacht.
„Immer anspruchsvollere Compliance-Vorgaben lassen viele Outsourcing-Projekte aus der Vergangenheit heute in einem anderen Licht erscheinen“, gibt Martin Stolberg, Director Banking bei Sopra Steria Consulting, zu bedenken. Denn: „Banken können zwar ihre Prozesse auslagern, nicht aber ihre Verantwortung gegenüber den Aufsichtsbehörden. Umso wichtiger werden organisatorische Strukturen, die eine stringente Providerkontrolle ermöglichen. Bei zukünftigen Make-or-Buy-Entscheidungen steht zudem immer die Frage im Raum, ob sich eine Robot-Automatisierung gegebenenfalls besser eignet als ein klassisches Outsourcing-Modell.“
Der Vorteil algorithmisch gesteuerter Robot-Anwendungen liegt in der Automatisierungsmöglichkeit auch solcher Prozesse, die man gemeinhin zum Kerngeschäft von Banken zählt – zum Beispiel die weitgehend standardisierte Vermögensberatung im Privatkundengeschäft. Hier wäre durchaus auch ein digitaler Bankberater mit einer Siri- oder Cortana-ähnlichen Mensch-Maschine-Schnittstelle denkbar. Weil der zugrundeliegende Algorithmus aktuelle Finanzmarktanalysen während der Beratung in Sekundenschnelle mit den jeweiligen Kundenpräferenzen abgleichen kann, würde sich die Beratungsqualität signifikant verbessern. Und wie jede Automatisierung setzen auch algorithmische Lösungen Mittel für weitere Innovationen im Bankgeschäft frei.